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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 1.1897-1899

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12. Heft
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Sixl, P.: Entwickelung und Gebrauch der Handfeuerwaffen, [8]
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https://doi.org/10.11588/diglit.37715#0323

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12. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

3°s

der Mündung- visierte und diesen durch einen Ein-
schnitt oder kleine Erhöhung derart markierte, dass
dies in der Zeichnung nicht zum Ausdrucke kam. —
Allein es fehlt thatsächlich das Absehen! Dieses ist bei
der Handbüchse im Codex 599 der königl. Hof- und
Staatsbibliothek zu München (1475) genau einge-
zeichnet und zu erkennen; im Schiessbriefe der Stadt
Zürich vom Jahre 1472 ist das Absehen auch genau,
wie folgt, beschrieben: «Also das er kein fursan noch
kein ror vff der buchs weder kurtz noch lang haben
noch brauchen sol in kein weg, dann nun allein ein
schlecht absechen hinden vnd vornen vff der buchs
durch Ein löchly ein blechlins oder ein offen
schrentzlin».
Es muss noch hinzugefügt werden, dass Martin
Merz in seiner «Kunst, aus Büchsen zu schiessen»
(i47i)sogarschon
einen Aufsatz
kennt und dessen
Gebrauch für das
Geschütz ausführ-
lich beschreibt.
Aus diesen
thatsächlichen Er-
scheinungen kann
abgeleitet werden,
dassmandenprak-
tischcn Werth der
Visier -Einrichtun-
gen für Hand-
büchsen, welche
am Schiessplatze
verwendet wur-
den, gar wohl er- Fig. 54.
kannt hatte; hier
entsprach das
«schlecht absehen» der bekannten üblichen Schuss-
entfernung, welche auf den verschiedenen Schiess-
plätzcn nicht viel differierte. Das übliche Standvisier
und praktische Schicssfertigkeit genügten, um beim
Wett- oder Festschiessen gut auszukommen.
Bei Besprechung der Münchener Handschrift
wurde auf Versuche hingewiesen, welche durch das
Nebeneinanderlegen von geladenen Lothbüchsen bei
eintretender Nothwendigkeit eine erhöhte Feuer-
bereitschaft sicherstcllen sollten. Man ging hierbei
schrittweise vor, steigerte die Anzahl der Rohre
von 2 auf 3, 4, 5, 6, 8, 10 und mehr, wobei mit
Zunahme der Zahl sich zumeist Grösse und Kaliber
der Waffe verminderten. Die Holzconstructionen,
welche hierbei in Verwendung kamen, waren ent-
weder ein flacher, starker Balken, eine Scheibe oder
ein massiver Holzcylinder und stets derart einge-
richtet, dass eine bestimmte Elevation festgestellt
werden konnte. Solche Constructionen sind in den
meisten hierher gehörigen Bilderhandschriften des

l) Neujahrsblatt, herausgegeben von der Stadtbibliothek in
Zürich für das Jahr 1867.

15. und theilweise auch des 16. Jahrhunderts ent-
halten, wie z. B. Kieser’s Bellifortis, cod. ms. 34,
und 55 der kunsthist. Sammlung d. A. H. Kaiser-
hauses zu Wien, cod. ms. 3069, 3062, 2952 der
k. u. k. Hof-Bibliothek zu Wien, cod. germ. 734 und
599 der königl. Hof- und Staatsbibliothek zu Mün-
chen, etc.
Weiter werden dieselben erwähnt in Ulmann
Stromer’s Kriegs-Ordnung von Nürnberg (1388), im
Inventar von Bologna vom Jahre 1397, — bei den
Flamandcrn (Froissart), — beim deutschen Orden
zum Jahre 1428 (Toeppen) etc.
Ein Original-Exemplar aus dem Anfänge des
15. Jahrhunderts soll im Museum zu Sigmaringen
aufbewahrt sein.1)
In der weiteren praktischen Durchführung der
obigen Versuche
entstehen nun
zwei Hauptgrup-
pen und zwar:
Constructio-
nen , welche in-
folge der grossen
Anzahl von Feuer-
röhren oder in-
folge grösseren
Kalibers fahrbar
gemacht werden
mussten und aus
welchen sich die
Orgelgeschütze
und schliesslich
die Mitrailleusen
entwickelten.
Diese Schiess-
maschinen waren
im Mechanismus compliciert und für die feldmässige
Verwendung nicht genug praktisch; die Waffentech-
nik vermochte nicht, trotz aller Fortschritte, eine
tadellose andauernde Functionierung sicher zu stellen;
war eine Lage abgeschossen, so konnte die Waffe erst
wieder durch ein umständliches Laden gefechtsfähig
gemacht werden.
Die zweite Art umfasst Constructionen, bei wel-
chen die Anzahl der Läufe beschränkt blieb, welche
zumeist noch von einem Manne fortgebracht werden
konnten und die als Laden- oder Schaufelbüchsen
oder als mehrläufige Handfeuerwaffen in Gebrauch
kamen. Diese Feuerwaffen erlangten jedoch, schon
infolge der geringen Anzahl von Läufen und in-
folge der schwerfälligen wenig praktischen Einrich-
tung und der umständlichen Ladung keine beson-
dere kriegsmässige Bedeutung.
Einfacher — als die Verwendung dieser Feuer-
!) Vgl. Jähn’s, G. d. K. I, 234. — Köhler, d. E. d. IC. III, I,
27g. — Alfred ICropatschek, Oberlieutnant: Über Revolver-Ge-
schütze. (Mittheilungen über Gegenstände der Artillerie- und
Kriegswissenschaften, Wien 1868.) — Wille, General, Über Kar-
tätschgeschütze, Berlin 1871.


Schützen mit Handbüchsen und Armrüsten aus dem «Mittelalterlichen
Hausbuche». 1470—1490.

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