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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Pecht, Friedrich: Die Berliner Jubiläums-Ausstellung, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0335

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l. Iahrgang. Left

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Untrr brsondrrrr Wiiwirkung von Lr. Pecht, hrrsusgrgrbrn von drr verlagsanstalt fiir Runst uud Msi'em'chafi
vormuls Frirdrich Vruckmann in Wünchrn
.Die Kunst für Alle" erscheint in bnlbmonatlichen Heften von cn. I' LBogen illustriertem Text und ca. 4 Bilderbeilagcn in Nmschlag. Abonnementspreis im
Buchhandel oder durch die Post lReichspostoerzeichnis 14. Nachtr. 2S1Kc. bayer. Verzeichnis S8ba) 3 M. 50 Pf. für das Vierteljahr <5 Hefte); das einzelne
Heft 7S Pf. — Jnserate die viergefpaltene Nonpareillezeiie 30 Pi. sovv Beilagen 67'/- Mark, bei größerem Format oder Umfang Preisaufschlag.

Die Verliner IuüiläumK-Ausstellung.
Von Lr. Pecht
lFortsetzuug)

ir haben vielmehr zu fragen, was den Alten denn überhaupt von Historienbildern am besten gelungen ist,
und da werden wir finden, daß Ghirlandajo nur seine Mitbürger mit ihren liebenswürdigen Ehehälften,
diese aber unvergleichlich naiv und liebenswürdig geschildert hat, daß Raffael in den Stanzen die Gefchichte
des Papsttums mit unvergänglichem Zauber wiedergibt, und aus dieser Geschichte sein Julius II. und Leo X.,
also seine Zeitgenossen, weitaus das Beste darstellen, seiner Konstantinsschlacht gar sehr überlegen sind. Schildert
denn Paul Veronese nicht seine venezianischen Nobilis mit vollendeter Schönheit und Wahrheit und wird kalt
und leer, nur wenn er Heilige oder etwa Alexander den Großen gibt? Jst es etwa nicht sonnenklar, daß des
Rubens Erzählung des Lebens der Maria von Medici, die er kanute, sowohl an Wahrheit als an malerischem
Reiz turmhoch alle seine griechischen und römischen Historien überragt, obwohl er die Vorsicht brauchte, ihre
Helden in gute Niederländer zu verwaudeln, und daher sicherlich bei ihnen der Gipskopf nicht überall heraus-
schaut, wie bei unseren modernen Klassizisten und Romantikern?
Mit großem Vergnügen ist indes zu bezeugen, wie gerade diese Ausstellung beweist, daß, wenn nicht
die Besteller, doch die Maler ganz offenbar an Einsicht über das sür sie Darstellbare von Jahr zu Jahr zu-
nehmen. Sohat Hugo Vogel aus Düffeldorf einen Empfang der französischen Resugiss in Potsdam durch
den Großen Kurfürsten in höchst erfreulicher Weise dargestellt. Seine Auffassung des kühnen Fürsten und seiner
„Strammheit" ist vortrefflich; so mag der Herr ausgesehen haben, der die Schweden aus seinem Lande hinaus-
schlug und die ausgetriebenen Franzosen schützte, aber sreilich ohne seine Sitten und seine Sprache nach ihnen
umzuwandeln. Natürlich sind diese Flüchtlinge, wenn auch geschickt angeordnet, doch nicht so srappant als der
Kurfürst, dessen spartanische Einfachheit und herbe Männlichkeit aber einen höchst wirksamen Kontrast gegen
die verhältnismäßige Eleganz der Franzosen bildet. Vogel hat sich durchaus der Stelle an der Akademie
würdig gezeigt, die man ihm statt des erkrankten Hellqvist übertragen hatte. Warum man ihm,
der diesem in jedem Sinue überlegen ist, diese Stelle nicht gleich übertrug, statt ganz unmotiviert
einen Ausländer zu berufen, der von der Landesart nichts versteht, niemals eine tiefere Liebe für
sie haben wird und kann, die dem Einheimischen von selbst anhängt, das mögen die Götter wissen. Wenn
man aber, wie es scheint, schon einmal nicht davon lassen kann, bei uns Fremde anzustellen und sie, wie in
München so gut als anderwärts geschah, Einheimischen vorzuziehen, selbst wenu diese entschieden mehr Be-
gabung haben, so sollte man wenigstens verlangen, daß diese sich auch wirklich als Bürger ihrer neuen Heimat
benehmen. Gerade wir Münchener haben dagegen auss gröbste sündigen lassen und finden jetzt zum Dank
die in München gemalten Bilder bei allen Nationen zerstreut und also auch den Rus unserer Nebenbuhler
statt den unserer Schule verstärkend. — So sind, wie schon erwähnt, uicht weniger als drei der schönsten
Defregger, ein Max, ein Payer, ein Kurzbauer, zwei Beuczur, ein Dutzend Makart, zwei Karger und was
weiß ich noch was alles bei den Wienern zu sehen, während alle diese Künstler in München gebildet wurden,
seiner Schule zuzuzählen sind, Defregger und Max sogar so ausschließlich, daß sie Osterreich lediglich durch
die Geburt angehören.
vie Kunst sür Alle I

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