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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (2) — 1822

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Charis.

Rheiniſche Morgenzeitung für gebildete Leſer.

Dritter

Zu einer Zeit, wo die Wirkungen eines allgemeinen
Voͤlkerfriedens, den Aufſtand unſerer griechiſchen Glau-
bensbruͤder abgerechnet) und der religioͤſen Milde der
erhabenen Herrſcher Europa's anfangen, in dem Kreiſe
des geſellſchaftlichen, buͤrgerlichen und Familienlebens,
immer tiefere Wurzel zu faſſen, iſt es auch mehr denn
jemals Sache der oͤffentlichen Blaͤtter geworden, durch
reine Geſinnungen, durch gelaͤuterten Geſchmack, durch
richtiges ſittliches und moraliſches Gefuͤhl, ohne Zelo-
tismus und blinden Eifer, ohne Anmaßung und ohne
Haß gegen die einmal rechtliche, und ſeit Jahrhun-
derten wohl hergefuͤhrte und geſetzlich-gelaͤuterte Ord-
nung der Dinge, die Wege zu bahnen, die von Ewig-
keit her kein Partheigeiſt geebnet hat; — wir meinen
die Wege zu allen jenen ſittlichen und ſinnlichen Voll-
kommenheiten, die nur ein Menſch, der Augen und
Herz auf rechter Stelle hat, einem andern zu zeigen
vermag, der auch nicht blind und herzlos iſt.
Alle Banden des geſellſchaftlichen, buͤrgerlichen und
Familienlebens — dieſer gewiſſermaſſen kosmopoliti-
ſchen Verzweigung — gehen nur von einem Aſte aus,
dem Gemeingeiſte, welchen der religioͤſe, aͤſthetiſche,
ſittliche, bildend leiten ſoll. Zeitſchriften ſind gleich-
ſam die Siegelbewahrer dieſer Gemeingeiſttugenden und

wie manche von ihnen hat ſie nicht ſchon, im Begin-

nen nud Fortſchreiten, zu ihrem eigenen Untergang
beleidigt und zerriſſen.

Ein allgemeines geſellſchaftliches Blatt, das alle

dieſe Zweige des Wiſſenswuͤrdigen und Noͤthigen, im
freien Gewande der Unterhaltung, mitzutheilen ſich
vorgeſezt hat, darf auf keine Weiſe das Beſtehende an-
taſten, wo nicht dieſes ſelbſt oͤfentlich dazu auffordert.
Beſcheiden und mit Achtung ſeine Meinung ſagen, und

das Beſſere als gerechten Wunſch ausſprechen, iſt. noch
keinem Menſchen voͤrwehrt worden, ſeitdem teutſche

Fuͤrſten, teutſche Voͤlker wieder beherrſchen. Wie laͤ⸗
cherlich alſo, ſich ſo zu ſtellen, als ob Kinder und Nar-—
ren allein nur wahr ſeyn duͤrften, und dennoch alle
Wahrheit mit der empoͤrendſten Unbeſonnenheit zu
ſagen.
unterheichnete, von hinlaͤnglichen Huͤlfsmitteln nnd

Angenehmen zu vereinigene in ſeinem
geneh 3

Jahrgang.

thaͤtigen Freunden, (in jeder Art das edele leiſtend
undſvon denen mehrere ihre Mußeſtunden dieſem Blatte
ausſchlieſſend zu weihen verſprochen haben) rings um-
geben und unterſtuͤzt, findet es in der gegenwaͤrtigen
religioͤs⸗-aͤſthetiſchen Epoche, bei dem Licht uͤnd der
Wiedergeburt eines beſſern Menſchheitslebens, mehr
als je nothwendig, auch von dieſem Punkte in reiner
und gelaͤuterter Form auszugehen, und ſich mit ſei-
nen Freunden feſt zu verbinden, alle und jede Leiden-
ſchaftlichkeit der ewigen Berdamniß des Schweigens
zu uͤberantworten und nur allein vor dem Altare des
Guten und Schoͤnen, des Wahren und Gerechten, der
Gottheit, dem Baterlande und der Menſchheit zu dienen.
In dieſem Sonnenblick auf das, waß allein Noth
thut, kuͤndigt der Herausgeber dieſes Blattes, das
ſeit zwei Jahren unter dem Titel: »Charis« be-
ſteht, eine Erweiterung derſelben, und zwar vorzuͤg—
lich in rein religioͤſer, aͤſthetiſcher, etiſcher, und hiſto-
riſch-literariſcher Hinſicht an. Sie wird nichts ver-
geſſen oder fuͤr unwichtig anſehen, was in dieſen Krei-
ſen unſere Augen und Ohren, unſere Herzen und Sinne
anzuſprechen vermoͤgend iſt, und aus dem weiten Ge-
biete dieſer Gegenſtaͤnde Belehrung und Unterhaltung,
mit Gediegenheit und Abwechſelung zu vereinigen ſich
bemuͤhen; denn iſt das Leben gleich eine Kunſt, ſo
iſt es auch ein Dunſt, den eben kein Duns Scotus
zur Erdſchichte verdichten wird.
Was von dieſem Blatte ſich ſeit zwei Jahren in den

Haͤnden des Publikums befindet, iſt groͤſtentheils nur

äͤſthetiſchen Inhalts. Daß damit unmoͤglich allen — dem
großen Publikum — gedient ſeyn kann, bedarf keines

Beweiſes und das Morgenblatt, das einzige Blatt

in Teutſchland, das ſich aus den engen Kreiſen ein-
ſeitiger Forderungen immer mehr herausſchwingt, be-
zeugt hinlaͤnglich, daß ein allgemeines Blatt Beduͤrf-
niß der Nation geworden iſt. Es ſoll unſer Beſtreben
ſeyn, mit Ehre neben ihm hinzuwandeln, und gleich
ihm das zu leiſten, wasd: »das Nuͤtzliche mit dem
ganzen Umfang
ins Leben zu foͤrdern vermag.
Mannheim, im November 1822.

Friedrich Karl Freiherr von Erlach,

Herausgeber und Redakteur.
 
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