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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (2) — 1822

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No 62-70 (August 1822)
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Rheiniſche Morgenzeitung
und

Bote vom Neckar un d Rhein.

Vereinigtes Unterhaltungsblatt fuͤr gebildete Leſer.

ISI

N 64.

Der ſchoͤnen Baderstochter Agnes
Beruauer und des Herzogs Albrecht
von Baiern Liebesgeſchichte.

(V e ſchu 6.)
Agnes zerfloß in Thraͤnen; Albrecht war tief

erſchuͤttert. Schmerz und Liebe kaͤmpften in ſeinem
Buſen. Endlich beſchloß er, ſich ſeinem Oheim,
dem Herzog Wilhelm, der ihn liebte, zu entdek-
ken: da erhielt er die Nachricht, ſein Vater habe
ein Turnier zu Regensburg ausgeſchrieben, und
ſein Oheim wolle auch dahin kommen. Schnell ließ
Albrecht ſatteln, ritt nach Regensburg, um dort
ritterlich eine Lanze zu brechen, und vielleicht das
zu gewinnen, was er zu gewinnen hoffte: Liebe
und Verſoͤhnung.
Am Tage des heiligen Klemens im Jahre 1434,
erſchienen die Ritter, und alſo auch Albrecht, vor
den Turnierſchranken. Aber wer ſchildert ſein Er-
ſchrecken? Die Schranken wurden ihm nicht gedff-
net. Umſonſt luͤftete er den Helm, zeigte ſein Ge-
ſicht und rief: „Seht, ich bin Albrecht von Baiern.
Oeffnet die Schranken!“ Aber ſie wurden ihm nicht
geoͤffnet, und die Kampfrichter ließen ihm ſagen: „Al-

brecht von Baiern kann nach den Geſetzen der Ehre und

des Turniers keine Lanze brechen, denn ſeinen Stand
vergeſſend, lebt er in Unehre mit einer Buhldirne.“
Dieſer Schimpf machte ihn wuͤthend, er drang auf die
Grieswaͤrtel und Turniervoͤgte ein und ſchrie: „Wer
ſagt das? Ich lebe nicht in Unehre mit einer Buhl-
dirne! Agnes iſt mein Weib, mir angetraut von
Prieſterhand! —
— Dennoch wurden die Schranken nicht gedf-
net, und es kam zu Thaͤtlichkeiten. Albrecht

Samstag, den 10. August,

A

holden Fruͤhlings.

Oeffnet die Schranken!“ —

SSISIIIISSSSeSeeeeee- —— — F “

1822.



mußte die Schmach erleben, nach der Turnieroroͤ⸗
nung zuruͤckgeſtoßen zu werden.
So kam er nach Voheburg zuruͤck, erzaͤhlte ſei-
ner Agnes den erlittenen Schimpf und erklaͤrte frei:
Trutz gegen Trutz zieme dem Manne, nur in der
oͤffentlichen Bekanntwerdung ſeines Vhaͤltniſſe ²s
finde er ſeiner Ehre Rettung. Sogleich nahm er

ſeiner Agnes ein Hofgeſinde an, ließ ſie Herzogin

nennen, ſchenkte ihr ein Schloß und zog mit ihr
nach Straubingen, ſeiner Reſidenz. Agnes aber
hatte deß wenig Freude, taͤglich vermehrte ſich ihre
Unruhe, bange Ahnungen durchbebten ihren Bu-
ſen, truͤbten ihre ſchönen Augen, bei Tage und
bei Nacht, mit heißen Thraͤnen, und in Betrach-
tungen der Vergaͤnglichkeit aller iroͤiſchen Guͤter
verloren, ließ ſie im Kreuzgange der Karmeliter
zu Straubingen ſich ihr Begraͤbniß in einer Ka-
pelle erbauen, verlebend ihre Tage in ſtiller Trauer-
Das Jahr darauf ſtarb auch Herzog Wilhelm,
auf deſſen Beiſtand Albrecht ſicher gerechnet hatte.

Nun verſank auch er in tiefen Schmerz, alle ſeine

Stuͤtzen hatte die unerbittliche Zeit hinweggeraft,
nur die Liebe zu ſeiner Agnes ſtand noch unerſchuͤt⸗
terlich feſt, wie in den erſten ſeligen Tagen ihres
Das alles erfuhr Herzog Ernſt.
Es ward ihm bange, verbluͤhen und verloͤſchen
möchte mit dieſem einzigen Sohne ſein altes Fuͤr—
ſtenhaus, Kriege das Land verheeren, und all die-
ſes Ungluͤck ſollte eine Augsburger Baderslochter
uͤber ſeinen Stamm und ſein Land bringen. Er
verſammelte daher ſeine Raͤthe und einmuͤthig wur-
de beſchloſſen: ſterben muͤſſe Agnes fuͤr Surſten
haus und Vaterland.
 
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