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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (2) — 1822

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No 35-43 (Mai 1822)
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Charis.

Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

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Ne 40. Samstag,

Der ſchwarzbraune Jaäger. *)
Von W. A. Gerle.

Auf einem Gute in Boͤhmen lebte einſt ein jun-
ger Menſch von kaum neunzehn Jahren, der bei
dem Amtmann als Schreiber diente, und ſo ſehr
fuͤr das Jagdver gnuͤgen eingenommen war, daß er

ſchier jede freie Stunde dem Waidwerk widmete,

und da er uͤbrigens ein guter und ausrichtſamer
Juͤngling war, ſo vergonnte ihm ſein Gebieter dieſe
Freude, nahm ihn auch jedesmal mit, wenn der
Gutsherr eine große Jagd veranſtaltete; aber ſein
Geſchick kam der Luſt nicht gleich, und er wurde oft
ausgelacht, wenn er den ganzen Tag uͤber kaum
ein einzelnes Haͤslein geſchoſſen hatte, oder etwa
gar keine Beute mit heim brachte, ſo daß er viel
lieber einſam in den Forſt ging, wo das Miß-
vergnuͤgen, wenn er fehlſchoß, doch wenigſtens
nicht durch ſpoͤttiſche Anmerkungen vermehrt wurde.
Als nun der Schreiber eines Tages, nach ſeiner Ge-
wohnheit dem edlen Waidwerk obliegend, im Walde
herumſtrich, geſellte ſich zu ihm ein ſchwarzbrauner
Jaͤgersmann mit tiefliegenden ſchwarzen Aeuglein
und großen Reiterſtiefeln an den Fuͤßen, der ihm
Anfangs nicht gar wohl gefallen wollte; aber bald
verlor ſich dieſe Abneigung, da es ſchien, als ſey ſein
Jagdungluͤck von ihm gewichen, wenn er an ſeiner
Seite ging. Dieſer Mann von ſchier bedenklichem
Anſehen, lehrte ihm auch allerhand Waideſtuͤckchen
und verſprach, wenn er ſich ſeiner Leitung gaͤnzlich
uͤberlaſſen wolle, werd' er ihn, binnen kurzer Zeit,

*) Dieſe altböhmiſche Sage, die durch Abre einfache Dar-

ſtellung als das Skelett zum Freiſchützen anzuſehen
iſt, wird Manchem hier zu leſen nicht unangenehm ſeyn,
da frühere Abdrücke nicht Jedem zugänglich ſind.

den 18. Mai;

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1822.

durch ſeine Anweiſungen zum geſchickteſten Jaͤger
auf zehn Meilen in der Runde machen.
Dem Schreiber gefiel es ſehr wohl, daß er nun
alle Tage große Laſten von Wildpret mit nach Hauſe
brachte, und ſein Herr zu glauben anfing, er ſey

ein gar gewandter Waidmann geworden; aber als

eines Tages abermals eine große Jagd angeſtellt
wurde, ſiehe! da traf der arme Juͤngling wieder ſo
wenig wie zuvor; und nicht genug, daß man ihn
ob ſeines Ungeſchicks noch bitterer verſpottete, als
ehemals, ſo wurde auch allgemein behauptet, das
Wild, welches er taͤglich heimbringe, ſey keineswe-
ges von ihm erlegt, ſondern wahrſcheinlich von ir-
gend einem Jaͤger in der Nachbarſchaft erkauft, um
mit fremder Schuͤtzenkunſt groß zu prahlen. Das
that dem armen Schreiber ſo weh, daß er ſich im
Innerſten ſeiner Seele zuſchwor, dieſes Spottes
ledig zu werden, es moͤge auch koſten, was es wolle,
und als er ſeines ſchwarzbraͤunen Jagdgenoſſen ge-
dachte, da kam es ihm vor, als muͤſſe er ſelben
nun beim Worte nehmen. Er ſuchte ihn daher mit
doppelter Gefliſſenheit auf, und wie er mit ſeinem
Anliegen herausruͤckte, fand er jenen ſehr willfaͤhrig.
— Mit freundlich grinſender Miene gelobte er

ihm Gewaͤhrung ſeines Begehrens, doch ſolle er mit
ihm in der Nacht des St. Abdons-Tages in den

Wald gehen, dort wollten ſie Bleikugeln gießen,
von welchen 60 gewiß treffen, und nur 3 fehlen
wuͤrden, aber es wuͤrde ihm nimmer moͤglich ſeyn,

dieſe von jenen zu unterſcheiden.

Der Schreiber war mit Allem zufrieden, und
konnte kaum die beſtimmte Nacht erwarten, in wel-
cher ſie ſich mit Schmiedekohlen, Gießkelle, Blei
und Formen verſahen, und dann wohlgemuth in
den Forſt hinausgingen. Als die beiden Nachtwand-
 
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