Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (2) — 1822

DOI Kapitel:
No 79-87 (Oktober 1822)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22119#0403

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Charis.

Rheiniſche Morgenzeitung

uen d

Bote vom Neckar und Rhein.

Vereinigtes Unterhaltungsblatt fuͤr gebildete Lefer.

IIRIIIIIT I IF II&- IFIIIICICCCC-

NL 80,

Sage von der Veſte Gottesberg.

(Foerſſetzun g.
12.
Bertha erzählt.
Als Hermann vollendet hattte ſeinen wunderſamen
Bericht, draͤngten ſich alle hin an ſein hohes Herz,
und Adelheid druͤckte ihm auf Wang' und Mund.
das Siegel der Minne einer holden Gattin, um
welchen Kuß ihn wohl ſelbſt die Engel im Him-
mel beneiden mochten.
Jezt aber ſprach Herr Willibald bittend: „Auch
Ihr, liebe Frauen, wollet nun uns kund thun, wie
es Euch ergangen in jenen Tagen des Ungemachs,
deſſen Ihr Euch wohl zeitlebens erinnern moͤget
mit Schauder und Grauſen. Liebe Bertha,
beginne!“
„Frau Bertha ſeufzte tief und ſprach: Ach,
wohl habe ich viel erduldet der bittern Leiden in
jenen Tagen der harten Pruͤfung, ſo Gott uns
aufgelegt, und nur der Zuruf meines Gewiſſens,
daß ich nicht buͤße fuͤr ſchwere Schuld, vermochte
meinen Geiſt aufrecht zu erhalten, wann ich die
Kraft des Lebens ſchon verloren zu haben glaͤubte.

Bereits ſtand im Brande die Nordburg, als
ich, aufgeſchreckt aus dem Schlafe, der Feuersbrunſt
entrinnen wollte; aber ſchon an der Thuͤre meines
Schlafgemachs ſank ich bewußtlos darnieder. Erſt
in einer Kammer auf der Veſte Geierſtein kam
ich gaͤnzlich wieder zu Sinnen, und zwar durch die
ſchmerzhaften Worte des fuͤrchterlichen Leupold:
Wachet auf, Weib! Geloͤſet ſind Eure Bande!

Samstag, den 5. OExtober,

*

1822.

+ ⏑ +

Begraben iſt allhier auf dieſer Burg Willibald,
der Norddurger!“ — Und dazu lachte er ſo
abſcheulich, wie Teufel zu lachen pflegen moͤgen.
— Faſt als ſey ich wahnſinnig, wankte ich auf
ihn zu und rief: „Und was wollet Ihr beginnen,
Wuͤtherich! mit mir, einer edlen Frau, entſproſſen
aus dem Blute der tapfern Oſtheimer?“ Da
lachte er noch lauter, noch teufliſcher und bruͤllte:
„Mit Euch? — Je nun! Euch ſtell' ich aus zur
Schau, auf die Zinne meines Burgthurmes, auf
daß ich meinen Kampfgenoſſen denſterrungenen Sieg
uͤber die Nordburger beurkunde.“
Aber er hatte ander boͤſes Werk vor mit mir;
denn er gab einem alten Knappen ein Zeichen
und ging fort. Der Knappe ſprach: „Frau Ber—⸗
tha, folget mir!“ — Aber ich vermochte nicht, mich
von dem Seſſel zu erheben, auf den ich niedergeſunken
war. Der alte Mann richtete mich empor, lud mich
auf ſeinen Ruͤcken und trug mich den Felſenpfad hinab
zu dem Burgthore hinaus. — Ich fragte: „Alter Die-
ner des Unmenſchen Leupold! ſagt an, wo ſchlepW-
pet Ihr mich hin?“ — „Ach!“ ſeufzete er: „koͤnn-
tet Ihr mir in's Herz ſchauen, ſo wuͤrdet Ihr wahr-
lich daran glauben, daß auf Geierſtein noch ein
frommer Chriſt lebt. — Edle Frau! ich armer, alter
Knappe kann Nichts fuͤr Euch thun, als bitterlich
Euch beklagen und fuͤr Euch beten,“ — „Wo ſchlep-
pet Ihr mich hin?“ fragt' ich noch einmal. —
„Hinab muß ich Euch bringen an den Fuß dieſes
Felſenberges, und dann — Euch verlaſſen!“ ant⸗ ö
wortete er: und ich merkte wohl, daß er weinerlich
ſprach. Er fuhr fort: „Noch muß ich Euch bit-
 
Annotationen