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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (2) — 1822

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No 97-104 (Dezember 1822)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22119#0513

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Chari

Morg

Rheiniſche

5.
nze eitung

un d

Bote

vom Neckar

und Rhein.

Vereinigtes Unterhaltungsblatt fuͤr gebildete Leſer.

I-- &&- &

Nꝰ 98.

Unterhaltungen

e in er Badegeſellſchaft.

Fortſetzung.

Vielmehr laͤßt unſere Erzaͤhlung ſelbſt die Theil-
nahme der uͤbrigen Zuͤnfte vermuthen. Auf jeden

Fall aber erkennt ſich in ſolcher Unternehmung der

große Reichthum der Florentiner des vierzehnten,
fuͤnfzehnten und ſechszehnten Jahrhunderts.
Ohne Zweifel, ſagte Carowel, duͤrfen wir die-
ſen kuͤhn mit dem Reichthum jeder der heutigen
Nationen vergleichen, wenn wir die vielen großen
und herrlichen Gebaͤude anſehen, welche der Staat und
Einzelne aufgefuͤhrt haben, und die noch heutzutag die
Pracht der reichſten Staͤdte unſerer Zeit beſchaͤmen.
Wer ſollte es aber glauben, fuhr der Abbate
fort, wenn er die ſchoͤne Florenz nicht geſehen,
daß dieſe Stadt eine Zeit hatte, wo ihre Bewoh-
ner vielleicht das erſte unter allen Handelsvoͤlkern
der Welt waren? In den angefuͤhrten Jahrhun-
derten gab es wenige bedeutende Handels-Plaͤtze in
der Welt, deren Geſchaͤfte nicht großentheils in
den Haͤnden der Florentiner waren, und vielleicht
iſt es nicht zu viel behauptet, wenn man verſi-

chert, daß faſt alle Geld⸗ und Wechſel⸗-Geſchaͤfte

in Europa durch ſie gefuͤhrt wurden. Wie unſere
Fuͤrſten in ihren Geldbedraͤngniſſen fruͤher bei den
Genueſern und Hollaͤndern, und jezt bei den Eng-
laͤn dern Huͤlfe ſuchen, ſo fanden ſie die Fuͤrſten
jener Jahrhunderte bei den Florentinern, und es
iſt ſehr merkwuͤrdig, daß namentlich die Koͤnige

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Samstag, den 7. Dezember,



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1822.



——

von England ſich der Kaſſen ihrer Banquiers be-
dienten. Dafuͤr hatten dieſe freilich auch die Staats-
Einkuͤnfte von England gepachtet, wobei es woh!
ohne großen Vortheil nicht abging. Haͤtten die Floren-
tiner vollends die Kunſt der heutigen Banquiers ver-
ſtanden, die Gefahr ſolcher Anleihen von ſich ab auf das

große Publikum zu waͤlzen, wer weiß ob ſich die

Welt nicht anders geſtaltet haͤtte? So aber trugen
ſie die Folgen allein, und ich bin feſt uͤberzeugt,‚
daß die Fallimente der Haͤuſer Bardi und Peruzzi,
gegen die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts,
welche allein uͤber dreimalhundert Tauſend Pfund
Sterling, eine, fuͤr jene Zeiten ungeheure Summe,
an die Krone von England zu fordern hatten, der
Stadt Florenz eine ſchwer zu heilende Wunde ge-
ſchlagen haben. Sie erſchuͤtterten namentlich den
Kredit der Florentiner uͤberhaupt bis auf das tief-
ſte; daher dann die neapolitaniſchen und ſiziliani-
ſchen Großen, welche ihre Gelder meiſtentheils in
Florentiniſchen Banken liegen hatten, dieſelben auf
einmal zuruͤckforderten, wodurch auch die Haͤuſer
der Acciajuoli, der Bonaccorſi, Cocchi, Antelleſi,
Corſini u. a. m. umgeſtuͤrzt wurden. Mit dieſen
ungeheuren Geldgeſchaͤften hielt die Fabrik-Indu-
ſtrie von Florenz gleichen Schritt. Sie beſtand
großentheils in wollenen Tuchern, und beſchaͤftigte,
waͤhrend den glaͤnzendſten Zeiten dieſer Manufak-
turen, in der Stadt allein 30,000 Menſchen, die
jaͤhrlich gegen 80,000 Stuͤcke Tuch produzirten,
und ſie fuͤr 1,200,000 Zecchinen verkauften.
(Fortſetzung folgt.)
 
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