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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (2) — 1822

DOI Kapitel:
No 44-52 (Juni 1822)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22119#0231

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Charis.

Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

Nè 49.

w“““

unterhaltungen

einer Badegeſellſchaft.

Fortſetzun gs.

Manente hatte indeß auch ſeinen Rauſch ausge-

ſchlafen und meinte, daß es Morgen ſeyn muͤſſe.

Indeß war Alles noch ſtockdunkel in ſeinem Zimmer.
Er glaͤubte daher ſich zu irren; und verſuchte noch ein-
mal einzuſchlafen. Aber alles war umſonſt. Das
Beduͤrfniß des Schlafs war befriedigt, und ein
grimmiger Durſt, der ihn uͤberfiel, machte ihm das
Warten bis zum Anbruch des Tages faſt unmoͤglich.
Er richtete ſich empor, um aufzuſtehen und Waſ-
ſer zu holen. Aber er fand ſeine Kleider nicht, und
bei dem Herumtappen im Zimmer ſchien ihm alles
anders, wie ſonſt. Splitternackt, wie er war,
blieb ihm nichts uͤbrig, als ſich wieder zu Bette zu
legen, und das Morgenlicht abzuwarten.
Das Nachdenken, in das er nun verfiel, uͤber-
zeugte Manente'n immer mehr von dem Sonder-
baren ſeiner Lage. Wo er den Abend zugebracht
hatte, beſann er ſich wohl; was aber, nachdem er
in der Weinſchenke eingeſchlafen, weiter mit ihm
vorgegangen war, das blieb ihm ein Raͤthſel. An

der Weichheit der Polſter und der Feinheit der Lein-

tuͤcher fuͤhlte er wohl, daß er nicht in einem Bette
des Weinſchenken lag; aber gerade dieſer Umſtand

verwirrte ſeine Gedanken noch mehr, und die aber-

glaͤubiſchen Vorſtellungen, welche ſich ſeiner bemaͤch-
tigten, fingen an, ihn dermaßen zu quaͤlen, daß er
den brennendſten Durſt daruͤber vergaß.
Endlich hoͤrte er ſchwere Fußtritte, die ſich naͤher-
ten. Ein gewaltiges Schloß ſchien geoͤffnet zu wer-
den, und Manente's Augen waren voll banger
Erwartung gegen die Seite hingerichtet, von wel-



Mittwoch, den 19. Juni,

——

X—— ————

1822.

cher der Schall kam. Aber denken Sie ſich ſein
Entſetzen, als ſich eine Thuͤr oͤffnete, durch welche
zwei ungeheuer lange geharniſchte Maͤnner, mit ge-
ſchloſſenem Viſier und mit bloßen Schwertern, her-
eintraten, welche, ohne ein Wort zu ſprechen, meh-
rere Schuͤſſeln und Flaſchen auf einem Tiſche nieder-
ſezten, und ihm aus dem Bette zu ſteigen winkten.
Manente'n klapperten die Zaͤhne vor Angſt.
Ein wiederholter Winktnoͤthigte ihn, aufzuſtehn und er
dachte nicht anders, als daß man erſchienen ſey, ihm
das Blut abzuzapfen. Dazu kam noch die friſche
Luft des Tages und ſeine Nacktheit. Zitternd warf
er ſich vor den Vermummten auf die Erde, faßte
ihre kalten, mit Eiſen bedeckten, Knie, und bat in
ſo vielen gebrochenen Worten, als er vor Angſt und
Kaͤlte hervorbringen konnte, um Erbarmen.
Wit ſchnell wurde er aber getroͤſtet, da die Ver-
mummten, ohne zu antworten, die Deckel von den
Schuͤſſeln nahmen, ihre kleine Lampe daneben ſtell-
ten, und ſtumm, wie ſie gekommen, wieder weg-
gingen! Die koſtlichſten Speiſen dufteten in Ma-
nente's Naſe. Die Flaſchen waren mit dem herr-

lichſten Weine gefuͤllt, und die bloßen Schwerter,

zuſammt den Vermummten im Augenblicke vergeſ-
ſen. Mit einem wahren Heißhunger verſchlang er
die Speiſen, und ſo reichlich auch der Weinvorrath
war, ſo wurde er von dem durſtigen Arzte doch
ſchnell uͤberwunden. Er legte ſich daher wieder zu
Bette, ſuchte nach Erklaͤrungen uͤber ſeinen Zuſtand,
und fand, ſtatt derſelben, einen ſo geſunden Schlaf, ö
daß wir bis zu ſeinem Erwachen fuͤglich einen Be-
ſuch bei den Beiden machen köͤnnen, welche von ſei-
nem Hauſe Beſitz genommen hatten. ö
Noch in der erſten Nacht hatte Lorenzo den
Leichnam eines Fremden, welchen man auf der
 
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