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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (2) — 1822

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No 97-104 (Dezember 1822)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22119#0531

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Charis.

Rheiniſche Morgenzeitung

und
Bote vo m Neckar und Rhein.

Vereinigtes Unterhaltungsblatt fuͤr gebildete Leſer.

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N 101. Mittwoch, den 18. Dezember, 18²2².

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An 3.

Wer biſt du mit der ſpitzen Stirne,
Der, gleich der gelderkauften Dirne,
Uns anlacht, wann wir vor dir ſtehn,
Und uns zerfleiſchet, wann wir gehn?

Mir ziſcht, wie giftgeſchwoll'ne Ottern,

Dein Ton; mich ſcheucht dein warnend Stottern;

Mich treibt dein Meuchelmörderblick,
Dein falſcher Händedruck zurück.

Denn ſelbſt auf Gott, Hermann, und Goͤthe/

Wie auf den Lichtwurm Pfeffels Kröte,

Auf was du Großes, Edles, ſiehſt,
Geiferſt du Haß, und höhnſt, und fliehſt.

Wer biſt du, dem kein Anger lächelt,
Kein Sommerlüftchen Freude fächelt?
Weer biſt du? Täuſcht mich dein Geſſcht?
Nein! von den Menſchen biſt du nicht.

In eines Felsabgrunds Geträufel
Zeugt' einer Teuf'lin dich ein Teufel;
Von keiner unheilvollern Eb'
Entſprang ein ſchnöd'rer Sprößling je.

Du ſpielteſt nicht, wie Knaben ſpielen;
Dich freut' in Haufen Goldes wühlen;
Bardalens Liede zog dein Ohr
Verdammter Klagetöne vor.

Für Scherz und Luſt am Wieſenbache
War dein Geſpiel Argliſt und Nache;
Vorbei der Tugend Sonnenberg
Krochſt du in's Laſters Schlund, du Zwerg!

Wobin des Mörders Tritte traten/
Verdorren Bäume, Blumen, Saaten;
Von Blute ſatt und von Gebein
Schläfſt du auf feuchten Gräbern ein.

Ha, wann er ſchläft, gerechte Götter,
Schwebt über ihm im rothen Wetter!
Der Höll' entklomm er, ſatt der Zucht
Des Vaters ſelber, der ihm flucht:

Zur Hölle ſtürzt den Frevler wieder,
Und zwängt mit Felſen ſeine Glieder,
Daß nimmer er, ſo wild er ſtrebt,
Zur Oberwelt den Schritt erhebt!
F. H. Bothe.

2—— — — — — — — ——— — — —— — —7

Unterhaltungen ö
ein er a

Fortſetzung.
Es laͤßt ſich auch ſchwer begreifen, fuhr der Ab-
bate fort, wie es gekommen, daß die Lebens-Ge-
ſchichte auſſerordentlicher Maͤnner gewoͤhnlich in
ihrem wichtigſten Theil, naͤmlich in dem, was ih-
ren innern Charakter und deſſen Darſtellung in
dem Privat-Leben betrifft, entſtellt wurde, und daß
ſich dieſe Anſichten Jahrhunderte fort erhalten ha-
ben, ohne daß ihren Manen ein Retter aufgeſtan-
den iſt. Nehmen wir in dieſer Ruͤckſicht Raphaéls
Leben, ſo finden wir z. B. daß ein Schriftſteller
dem andern nacherzaͤhlt, wie dieſer goͤttliche Mann

Nachts durch die Straßen gezogen ſey, um die anti-

ken Statuͤen und Basreliefs zu verſtuͤmmeln, deren
Ideen und Figuren er in ſeinen Gemaͤlden be-
nuzt haben ſoll. Mit eben ſo vielem Grunde,
aber doch mit mehr Ehre fuͤr ſeinen Charakter, laͤßt
man ihn Kunſt⸗Emiſſaͤre in ganz Griechenland hal-
ten, um uͤberall zuſammen zu ſtehlen, was er in
ſeinen eigenen Werken anwendet, und von ſeinen
 
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