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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (2) — 1822

DOI Kapitel:
No 27-34 (April 1822)
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Charis.

Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

SNDSINTTTT

Ne 34.

*

**

Des jungen Eſſex Ritterfahrt.

Eine hiſtoriſche Novelle von La Motte Fouqué.

Fortſetzung.

6.
Es kamen truͤbe Kunden von der portugieſiſchen
Unternehmung nach England. Bald nach jener er-
ſten Siegesbotſchaft ließ der Feldherr melden, das
Heer, von Belagerungegeſchuͤtz entbloͤßt, habe kei-
nen ordentlichen Angriff auf die Mauern von Liſſa-
bon unternehmen koͤnnen; um ſo minder, da es dem
geuͤbten und ſonſt ſo gluͤcklichen Seemann, Franz
Drake, nicht habe gelingen wollen, den Tajoſtrom
hinaufzuſegeln, und ſich vor der feindlichen Haupt-
ſtaͤdt mit den Landtruppen zu vereinigen. Zugleich
ſehen toͤdtliche Seuchen unter den Schaaren einge-
riſſen, durch Hunger theils erzeugt, theils furcht-
barlich vermehrt; — und kurz, es bleibe nichts
uͤbrig, als ſich wiederum einzuſchiffen, und in der
ſchon mit herbſtlichen Stuͤrmen drohenden Jahres-
zeit den Ruͤckweg nach England eilig anzutreten.
Zwar habe Graf Eſſer im Kriegsrath heftig und faſt
unehrerbietig widerſprochen, behauptend, es ſey
beſſer, hier alleſammt zu erliegen, als heimzukeh-
ren nach unausgerichteten Befehlen der erhabenen
Herrin, wohl gar dem Spanierkdnig und ſeinen
Vaſallen Stoff hinterlaſſend, uͤber den Heldenna-
men der neuen Semiramis zu ſpotten! Zwar habe
Don Antonio mit großen und hochgewaltigen Re-
densarten darzuthun verſucht, er ſitze ſchon wirklich wie-
der auf dem ihm geziemenden Throne, und nur eine ma-
giſche Augenverblendung koͤnne daruͤber bei ſeinen
Bun desgenoſſen einigen Zweifel erwecken, die er einla-
de, nach wie vor, alle ſeine hieſige Herrlichkeit mit ihm
zu theilen! Doch ſey der einmuͤthige Beſchluß al-



Samstag, den 27. April

A &

I “--.

182².

“...



ler uͤbrigen Feldhauptleute fuͤr den Ruͤckzug ausge-
fallen, und man fange bereits an, das truͤbe Werk
der Einſchiffung zu betreiben.
Von da an ſchwieg alle Botſchaft des Feldͤherrn
ſowohl, als des Admirals. Aber furchtbare Ge-
ruͤchte fluͤſterten leiſe und unheimlich, bangen Traͤu—
men vergleichbar, Trauerkunden durchs Land. Bald
ſollte die Flotte mit aller Mannſchaft an der oder
jener Kuͤſte untergegangen ſehn, bald ſturmzer-
ſtreut umherfliegen durch den toſenden Ozean, ein-
zelne Truͤmmer auswerfend an feindliche Landungs-
plaͤtze, — ſo viel aber wollte man fuͤr gewiß be-
haupten, gleich nach der Wiedereinſchiffung ſey das
Schiff, welches den ſtolzen Eſſex trug, rettungslos
verſunken mit dem Helden und all ſeinem Gefolg.
Eine tiefſchmerzliche Ruͤhrung ergriff bei dieſem Ge-
danken faſt jegliches Gemuͤth; ſogar die zahlreichen
Widerſacher und Feinde des ungeſtuͤmen Juͤnglings
konnten ſich eines wehmuͤthigen Mitgefuͤhls uͤber
ein ſo fruͤhes und dunkles Ende nicht erwehren.

Nur mit Koͤnigin Eliſabeth allein ſchien es ſich an-

ders zu verhalten.
War es, daß ſie in Stolz und weiblicher Scheu
ihren Kummer vor aller Welt verbergen wollte, —
war es, daß ſie wirklich den eigenen, hochfahren-
den Geiſt zum Zorn anreizte, um mit deſſen Flam-
men die weiche Wehmuth niederzudruͤcken und aus-
zutreiben, — genug: wo der Name Eſſer in ih-
rer Gegenwart klang, erweckte er ihr nur unwillige
Aeußerungen uͤber den abentheuernden Ungehorſam
ſeines Ritterzuges und Klagen uͤber ſeine Undank-
barkeit, — ja wohl gar die Betheuerung, er habe
nur immer ſich ſelbſt und ſeinen Eigenruhm geſucht
und geliebt, nie aber Thron und Fuͤrſt und Vater-
land. Verriethen dabei auch einige hellfunkeinde
 
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