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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (2) — 1822

DOI Kapitel:
No 35-43 (Mai 1822)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22119#0179

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— *

Charis.

Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

Ne 37. Mittwoch,

Die Liebenden.
SZdylle. (Nach Calpurnius.)

Unter der Silberpappeln Umſchattung ſangen die
Hirten

Damon und Lycidas, jeder die unbeſiegbare Liebe:

Beid' auf laͤndlichem Rohr und im Lied erfahrene
Meiſter.

Damon liebete Phyllis, die goldgelockte Melinde
Regte des Anderen Glut; von gleicher Flamme

getrieben,

Schweiften beide Genoſſen umher durch ſchattige

Waͤlder.

Spott nur trieben mit ihnen die leichtgeſinneten
Maͤgdlein;

Denn ſie riefen die Hirten zum Thal jezt unter
die Umen,

Dann in den Buchenhain, und dann in trauliche
Grotten,

Auch zur Quelle des Huͤgels, und floh'n, wenn jene
genahet. 10

Endlich nun enthuͤllen die Muͤden, welche der Sehn-
ſucht

Eitele Qual bedraͤngt, dem oͤden Haine die Wunden,
Und es toͤnet die Klag' im lieblichen Wechſelgeſange:

Damon.

Harte Pyolis, die leichter, als Wind auf unſeren
Fluren,

Warum fliehſt du mein Rohr und die Hirtengeſaͤnge?
Warum doch 15
Eilſt du hinweg? Was haſt du fuͤr Ruhm, mich
ſo zu beſiegen? ö
Stets verbirgſt du dein Herz, und Hoffnung lachelt
dein Antlitz,

Waͤhrend du ſtrenge verſagſt. Ich kann die Ver-
ſagende meiden.

2Singen wir, was wir lieben! Den Gram auch
lindern Geſaͤnge.“

den 8. Mai,

X I ww“w“““““““

I CCCCC“-

1822.

⏑ .

Lyeidas.
Blicke doch endlich auf mich, Melinda, grauſans
Jungfrau!
Stets nicht bleibſt du dieſelbe. Des Graſes Wamen
vergehen,
Auch die Roſen am Dorn, und Lilien glaͤnzen
nicht immer.

Lange nicht haͤlt die Rebe das Laub, und Schatten

die Pappel:
Schoͤnheit waͤhret nur kurz, folgt nicht den Schrit-
ten der Jahre.

„Singen wir was wir lieben! Den Gram auch
lindern Geſaͤnge.“ 25
Damon.

Siehe! dem Hirſch zieht nach die Hindin, dem Far-
ren die junge

Zierliche Kuh, und Venus erregt die Woͤlfin und

Loͤwin,

Auch der Luͤfte Geſchteor die Voͤgel, und Waſſer-
bewohner,

Berg' und Waͤlder zugleich: der Baum auch heget
die Liebe.

Du nur flieheſt, nur du zerſtoͤrſt den Lieben-
den klaͤglich! 30

„Singen wir, was wir lieben! Den Gram auch
lindern Geſaͤnge.“
Lyeidas.
Alles naͤhrt und entfuͤhret die Zeit: beſchraͤkt it
die Nutzung.

Fruͤhling war, da ſah ich bei Kuͤh'n die huͤpfen-
den Kaͤlber,

Und ſchon ringen um ſie mit dem Horn die mu-
thigen Stiere. —

Denk', o Schoͤne, daran! Du biſt ein gereifetes
Maͤgdlein: 35⁵

Dir ſchon werden die Jahre nach zwanzig Ernten

gezaͤhlet.

»Singen wir, was wir lieben! Den Gram auch
lindern Geſaͤnge.“
 
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