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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (2) — 1822

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No 1-9 (Januar 1822)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22119#0023

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Charis.

Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

X ——— ë᷑ù¶—.

Ne 3. Mittwoch,

——

Habſucht und Liebe.

Fortſetzung.

Der alte Herr hatte gerechnet. Als mehrjaͤhriger
Geſchaͤftsfuͤhrer des Majors kannte er das Gut
Treuenfels und die darauf haftende Schuldenlaſt;
aber auch den Werth deſſelben. Er wußte, daß bei
fleißiger Kultur, bei beſſern Einrichtungen ein be-
deutendes Einkommen zu erwarten war. Gern
haͤtte er es laͤngſt gekauft, waͤre es nicht Lehn ge-
weſen, und nun bot ſich die herrlichſte Gelegen-
heit dar, es ſeiner Tochter zu erwerben. Ihr
Vermͤgen deckte nicht nur die Schulden, ſondern
es blieb noch ein Anſehnliches zu neuen Einrich-
tungen uͤbrig. Daher ſeine ſchnelle Einwilligung.
Freude trunken eilte Eduard nach Haus und der
erſte Strahl der Morgenſonne begruͤßte ihn auf
muthigem Roſſe, ſeinem Vater zueilend.

Nicht ſo leicht wie er gewaͤhnt hatte, waren die

Vorurtheile des Adels gegen den Buͤrgerſtand be-
ſiegt, aber die ruͤhrende Bitte des Sohns, der
Hinblick auf ſein Gluͤck und auf die Lage ſeines
Vermdgens beſtimmten ihn endlich zur Einwilligung;
ſchon am Abend ſtanden Vater und Sohn an der
Pforte des Frohbergſchen Gartens.
Suͤße Ahnung fuͤhrte Eduard zur Geisblattlaube
— ſtumm folgte der Vater, begierig den Gegenſtand
der hohen Liebe ſeines einzigen Sohnes zu ſehen —

und Eduards Ahnung hatte nicht getrogen. — Siill

denkend ſaß Julie da. —
Im Hochgefuͤhl begluͤckter Liebe kuͤßte, er die
Hand der braͤutlich Erroͤthenden, und uͤberwaͤltigt
von ihrer Schoͤnheit zog der alte Major ſie in ſeine
Arme, und eine in den grauen Wimpern des wuͤr⸗

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den 9. Januar

.

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1822.

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digen Kriegers glaͤnzende Trhaͤne, hieß ſie als holde
Tochter willkommen.
So waren⸗ denn die Hinderniſſe, die ſich dem jun-
gen Paare entgegen zu thuͤrmen ſchienen, um ſo
gluͤcklicher uͤberwunden, je groͤßer Eduards Hoff-
nung war im Laufe eines Jahrs zu einer Rathsſtelle
zu gelangen. Jeder junge Morgen, jeder ſcheidende
Tag, war nun Zeuge ungetruͤbter Seligkeit,
wachſender Liebe und Achtung.

Frohbergs Verkehr dlieb immer derſelbe, Sum-
men auf Summen haͤufend, raſtete der Unerſaͤtt-
liche nie. Da ſtarb ſein einziger Bruder, ein un-
verheiratheter Kaufmann, und er ward Erbe des
anſehnlichen Nachlaſſes. Leicht verſchmerzte er den
Verluſt des Bruders uͤber die Freude der Erbſchaft,
und ſein erſtes Geſchaͤft war die Buͤcher und Papiere
zu durchſehen. So bedeutend nun auch das Ver-
moͤgen an ſich war, ſo beſtand doch ein großer
Theil deſſelben in Haͤuſern, auf denen ſo betraͤchtliche
in den Handel verwendete, Kapitalien hafteten,

daß dieſe faſt den Werth der Beſitzungen uͤber-

ſtiegen.
Ein heftiger Schrecken bemaͤchtigte ſich des lachen-
den Erben. Tagelang gieng er, im dumpfen
Hinbruͤten verloren, umher und ſann auf Huͤlfe,
aber ſein Scharfſinn ſcheiterte an der Möglichkeit
eines ſchlauen Entwurfs.
Da beſchloß er, einen beruͤchtigten, ſeiner Raͤnke
wegen bekannten Advokaten um Rath zu fragen,
und mit dem Laͤcheln eines Satans erwiederte die-
ſer, geblendet durch das Verſprechen einer bedeuten-
den Belohnung: „Ei, ei, und darauf kamen Sie
„nicht? — Sie kennen ja die Art wie das Stadt-
„hypothekenbuch gefuͤhrt wird — haben gewiß ſchon
 
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