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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (2) — 1822

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No 88-96 (November 1822)
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Charis.

Rheiniſche

Morgenzeitung

un d

Bote vom

Neckar

uen d Rhein.

Vereinigtes Unterhaltungsblatt fuͤr gebildete Leſer.

&--&Æ

Mittwoch, den 27. November;

No 95.

1822.

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Unter haltungen

einer Badegeſellſchaft.

Forftſfetzung.
Um dieſe Zeit war Lorenzo Ghiberti, durch die
Fluͤgelthore von S. Giovanni, welche er gegoſſen
hatte, in Ruf gekommen; auch zeigte ſich bald,
daß er bei mehreren der Maͤchtigen der Stadt in
großer Gunſt ſtand. Denn da ſie Brunellesko's
Ruhm ſo hoch ſteigen ſahen, bewirkten ſie bei den
Borſtehern uns Obmaͤnnern der Zäͤnfte, daß ihm
Ghiberti zum Gehuͤifen gegeben wurde. Wie bit-
ter dieſes ſuͤr Brunellesko war, ja, wie es ihn
faſt verzweifeln machte, iſt daraus zu ermeſſen,
daß er ſich von Florenz fluͤchtig machen wollte;
und ſicherlich moͤchte es mit ihm eine ſchlimme
Wendung genommen haben, wenn ihn nicht Do-

nato und Luka della Robbia durch ihre Troͤſtun-

gen aufrecht gehalten haͤtten.
Solches dauerte bis ins Jahr 1426, als Bru-
nellesko es nicht mehr laͤnger aushalten konnte,
Ruhm und Ehre mit einem Andern, der nicht das
geringſte Verdienſt bei dem Unternehmen hatte, zu
theilen. Er beſann ſt ſich alſo hin und her, wie er
ſich Ghiberti'n vom Hal ſe ſchaffen ſollte.
Brunellesko hatte um dieſe Zeit die erſte Aufga-
be der zwoͤlf Ellen des Bau's an den beiden Schaa-
len der Kuppel vollendet. Die weitere Arbeit er-
forderte neue und beſondere Anſtalten, wegen de-
ren Wichtigkeit er dem Ghiberti auf den Zahn
fuͤhlte. Dieſer war aber noch ſo nuͤchtern in der

Sache, daß er Brunellesko'n die Antwort gab: er
ſey ja der Erfinder des Ganzen, und moͤchte nur
nach ſeinem Gutduͤnken verfahren.
Brunellesko freute ſich uͤber dieſe Aeuſſerung,
indem er dann das Mittel zu finden hoffte, Ghi-
berti's Unwiſenheit in der Sache an den Tag zu
bringen, und ihn von der Mitleitung des Bau's
zu entfernen. Als die Maurer daher alle bereit
ſtanden, um die Arbeit fortzuſetzen, war niemand
da, der Befehle und Anweiſung ertheilen wollte.
Im Aerger uber die Zeit, welche ihnen verloren
ging, fingen dieſe Leute allerhand Unfug an, und
verdarben Vieles ſelbſt wieder, was ſie ſchon fer-
tig gemacht hatten.
Eines Morgens kam Brunellesko gar nicht zu
dem Bau. Er hatte den Kopf luͤchtich verbunden,
und ſich in das Bette gelegt, wobei er uͤber Sei-
tenſtechen klagte, und ſich warme Tuͤcher auflegen

ließ. Die Werkmeiſter warteten lange, und gin-
gen endlich, da ſie von Brunellesko's Krankheit

hoͤrten, zu Ghiberti, um von ihm Befehle zu er-
halten. Dieſer antwortete ihnen aber: daß die
Reihe heut an Brunellesko ſey, und daß man auf
ihn-warten muͤſſe. Kennt ihr denn ſeinen Plan
nicht? frug wohl einer. Freilich kenn' ich ihn, er-
wiederte Ghiberti, aber ich mache einmal nichts
ohne ihn. — Dieſes ſagte er nur zu ſeiner Ent-
ſchuldigung; denn Brunellesko hatte ihn ſein Mo-
dell nie einſehen laſſen, und er wußte ſich durch-
aüs nicht zu helfen.
Als Brunellesko's Krankheit mehrere Tage dau-
erte, gingen die Vorſteher und Werkmeiſter zu
 
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