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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (2) — 1822

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No 27-34 (April 1822)
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Charis.

Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

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Ne 30.

X* ———— SII *

Des jungen Eſſer Ritterfahrt.
Eine hiſtoriſche Novelle von La Motte Fouqué.
Foeortſetz ung.
Er ſtockte. Als ihm die Koͤnigin mit einem Zei-
chen der Unged uld winkte, ſeinen Bericht fortzuſe-
zzen, ſprach er: „Ich darf ja nicht. Madame haben
es mir ja ſelbſt vorhin verboten. Muͤßte ich doch

um weiter zu erzaͤhlen, von dem ſprechen, deſſen

Name hier nicht genannt werden ſoll, und faſt nur
von ihm! Denn haͤtte nicht der all ſeine Wagen
ausleeren, und alles Gepaͤck von ſeinen Maulthieren
abwerfen laſſen, das koͤſtlichſte Gerath wie nichts-
nutzigen Plunder wegſchleudernd, um nur den Kran-
ken und Ermatteten Raum zum Fortbringen zu ver-
ſchaffen, — ach, wie viel edle Englandsherzen haͤt⸗—
ten brechen muͤſſen in Elend und Verlaſſenheit! —
zugleich gab er dem Heer das freudigſte Beiſpiel
muthentbrannter Ritterlichkeit. Wo irgend ein
Spanierhaufen unſerem Zuge nahe kam, — hei!
wie ſprengte der junge Held ihn an! Biswei-
len zu Anfang faſt allein, bis ſein kuͤhnliches Fechten
und ſein froͤhlicher Feldruf Eliſabeth! die Herzen
noch anderer waͤckerer Reiter entzuͤndete, ihm nach-
zuhauen in die feindlichen Geſchwader. Ihm dan-
ken wir's, daß wir den Marſch ohne feindlichen An-
griff auf unſre Hauptſchaar vollendet haben, und
nun ſchon in den Vorſtaͤdten der Stadt Liſſabon
ſtehen, waͤhrend die Spanier drinnen nur ſcheu von
ihren Mauern und Thurmeszinnen herniederlau-
ſchen!“ — Aber Eliſabeths ſchoͤne Hand hob das
weiße Tuch abermals vor ihr Angeſicht und der ehr-
liche John Heavhy, ein erneutes Zeichen ihres koͤnig-

*

Samstag, den 13. April

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1822.

lichen Unwillens daraus muthmaßend, hielt pldtz-
lich inne, bis ſie mit geſaßter Freundlichkeit ſagte:
»Glaubt nicht, wir ſehen Euch ungnaͤdig, der par-
theiiſchen Vorliebe wegen, womit Euer Bericht von
beinahe gar nichts handelt, als von dem ungehor-
ſamen Grafen. Auch in ihren Verirrungen noch
wiſſen wir die Treue der Freundſchaft zu ehren.“ —
Aber John Heavy murmelte beinahe lachend vor
ſich hin: „Partheiiſche Vorliebe! Freundſchaft!“ —
Dann ſezte er laut hinzu: „Majleſtaͤt, ich bin des
Grafen Freund nicht, und weiß uͤberhaupt nicht,
wie ich zu der partheiiſchen Vorliebe kommen ſollte.
Matt oder gar ohnmaͤchtig zu werden auf dem Marſch
iſt eben keinesweges meine Manier. Was ſollten da
mir ſeine Wagen und Maulthiere helfen! Auch
hat er zu mir in ſeinem Leben kein einziges Wort
geſprochen, als Einmal auf dem Marſch, wo er
des guten Beiſpiels wegen zu Fuße ging, und ich
ihn unverſehens in die Seite ſtieß. Da lachte er
und ſagte: „Zieht Euch etwas zuſammen, guter
Hauptmann! Fuͤrwahr, Ihr ſeyd eben nicht dick,
aber ganz ungewoͤhnlich breit!ꝰ Nun frag' ich
Eure Majeſtaͤt, ob das mir ſo eine ganz blinde Vor-
liebe fuͤr den Grafen erwecken konnte? Aber jeder ⸗
Kriegsmann im Heere weiß ja Lieder zu ſingen von
des jungen Helden Tapferkeit und Milde und be-
geiſterndem Muth!“ — Eliſabeth winkte ihm freund—⸗
lich, doch ernſt, er ſey entlaſſen, und nach wenigen
hergebrachten Worten zu dem verſammelten Staats-
rath verſchwand ſie in ihre Kammern.

(Die Sortſetzung folgt)
 
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