Rheiniſche Morgenzeitung für gebildete Leſer.
*—
Ne 6. Samstag,
ͤäꝗ ꝗ CEEEE-------
Der Aprikoſenbaum (0).
ö Beſchluß.
„Beruhige dich, Lisbeth — ſagte der Onke!l —
Steh auf, mein Sohn! Man wird ſich verwenden
koͤnnen andern Orts! Mich aͤrgert das Wort,
das ich hier verloren.“
„Herr!“ — fuhr der Oberſt auf, und ſuchte
vergebens nach dem Taſchentuche.
„Aber Lisbeth, ploͤtzlich klar geworden im In-
nern, reichte mir die Hand, ohne der Beſtuͤrzten
zu achten — und: ich habe dich verſtanden!
ſagte ſie mit reizender Entſchiedenheit. Dir ge-
hͤr' ich fortan. — Mein Onkel! Mein Vater!
Ihren Segen!“ ö
„Gott ſegne Euch! Hole mein Sonntags-
jackchen fuͤr ihn. Die uniform brauch'
n icht weiter!“
„Hier bin ich fertig! rief der Oberſſt, — und
ihn ſchuͤttelte die weichſte Luſt des gelungenen Ue-
berfalls — nun an den Fuͤrſten ein Schreiben!
— Eckard!“ — So, ſtumm drohend, ohne Er-
klaͤrung, ohne Abſchied, geht er zur Thuͤr hinaus.“
„Der Onkel war nachdenkend geworden. Er
lehnte ſich ins Fenſter, er verließ es und ſchien et-
was zu ſuchen. Dann trat er aus der Stubel
ſah durch die halbe Thuͤre noch einmal zuruͤck und,
wie ſchlaftrunken, uns an.“
059 Bei Beendigung dieſ ſer Erzählune 3 freut ſich der Heraus-
ausgeber, ſeine freundlichen Leſer aufmerkſam machen zu kön-
nen auf den bald folgenden Aprikoſenzweig, von der-
ſelben Hand, welche den Baum, gleicher Abkunft, gepflanzt;
und von dieſem Baume der Sprößling, den Lisbeth
gepflückt hat. Eine Erzählung, welche mittelſt des einfach
wunderthätigen Zweigleins ein Vild endlich⸗-gewonnener
Liebe enthält. ö
39————
den 19. Januar 1822.
II &
„Ein Weilchen, und es klopft.
ſteht am Fenſter.
ein.“
„Der Onkel iſt mir begegnet, — erzaͤhlt er —
Hut und Stock in der Linken, mit dem Finger
der Rechten an Naſ' und Stirn: ſehr verwirrt, Kin-
der; und das treibt mich zuruͤck.“
„Gegluͤckt iſt mein Ueberfall auf ſein Herz: wohl
der lezte dieſſeits auf Herzen und Staͤdte!“
„Nun iſt er im Zwieſpalt, was, bei dem raſch
ertheilten Segen, ſeiner Ueberzeugung gehore,
was ſeinem Widerſpruch.“ ö
„Betruͤgt ihn nicht! Gewinnet von ſeinem
Herzen, was Ihr ſchon beſitzet von ſeinen Lip-
pen: bleibet gut, und ſo erweiſet Euch
Der Oberſt
Wir oͤffnen das Haus, er tritt
ihm! — Ich ſorge fuͤr Euch.
„Da nimmt Lisbeth jene lezte Aprikoſe
aus ihrem Bruſtlatz und, ſie theilend: hat je ein
Zeugniß gegolten unter Menſchen, ſagt
ſie, ſo rede dies wider uns, wenn wir
fehlen!“ — ö
„Und abermals zuckt das Geſicht des Oberſten
in ſchlecht verhehlter Ruͤhrung.“—
„Wir nahmen nun, Lisbeth un d i ch;
beide die Hand des beſten Mannes faſſend. Welch
ein Mahl! Und als die koſtlichſte Witgif be-
wahrt' ich den Kern.“
„„Wir haben ihn gepflanzt, mein Herr, als wir
hieher kamen durch die Liebe, durch die Theil-
nahme und Fuͤrſorge dieſet Vortrefflichen., O, kom-
men Sie! Sehen Sie ſein Gedeihen und das
unſers Gluͤcks!ꝰ —
Es war ein Tag von jenen des Aprils, wo der
Fruͤhling noch im erſten, geheimen Liebesverſtaͤnd-
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Ne 6. Samstag,
ͤäꝗ ꝗ CEEEE-------
Der Aprikoſenbaum (0).
ö Beſchluß.
„Beruhige dich, Lisbeth — ſagte der Onke!l —
Steh auf, mein Sohn! Man wird ſich verwenden
koͤnnen andern Orts! Mich aͤrgert das Wort,
das ich hier verloren.“
„Herr!“ — fuhr der Oberſt auf, und ſuchte
vergebens nach dem Taſchentuche.
„Aber Lisbeth, ploͤtzlich klar geworden im In-
nern, reichte mir die Hand, ohne der Beſtuͤrzten
zu achten — und: ich habe dich verſtanden!
ſagte ſie mit reizender Entſchiedenheit. Dir ge-
hͤr' ich fortan. — Mein Onkel! Mein Vater!
Ihren Segen!“ ö
„Gott ſegne Euch! Hole mein Sonntags-
jackchen fuͤr ihn. Die uniform brauch'
n icht weiter!“
„Hier bin ich fertig! rief der Oberſſt, — und
ihn ſchuͤttelte die weichſte Luſt des gelungenen Ue-
berfalls — nun an den Fuͤrſten ein Schreiben!
— Eckard!“ — So, ſtumm drohend, ohne Er-
klaͤrung, ohne Abſchied, geht er zur Thuͤr hinaus.“
„Der Onkel war nachdenkend geworden. Er
lehnte ſich ins Fenſter, er verließ es und ſchien et-
was zu ſuchen. Dann trat er aus der Stubel
ſah durch die halbe Thuͤre noch einmal zuruͤck und,
wie ſchlaftrunken, uns an.“
059 Bei Beendigung dieſ ſer Erzählune 3 freut ſich der Heraus-
ausgeber, ſeine freundlichen Leſer aufmerkſam machen zu kön-
nen auf den bald folgenden Aprikoſenzweig, von der-
ſelben Hand, welche den Baum, gleicher Abkunft, gepflanzt;
und von dieſem Baume der Sprößling, den Lisbeth
gepflückt hat. Eine Erzählung, welche mittelſt des einfach
wunderthätigen Zweigleins ein Vild endlich⸗-gewonnener
Liebe enthält. ö
39————
den 19. Januar 1822.
II &
„Ein Weilchen, und es klopft.
ſteht am Fenſter.
ein.“
„Der Onkel iſt mir begegnet, — erzaͤhlt er —
Hut und Stock in der Linken, mit dem Finger
der Rechten an Naſ' und Stirn: ſehr verwirrt, Kin-
der; und das treibt mich zuruͤck.“
„Gegluͤckt iſt mein Ueberfall auf ſein Herz: wohl
der lezte dieſſeits auf Herzen und Staͤdte!“
„Nun iſt er im Zwieſpalt, was, bei dem raſch
ertheilten Segen, ſeiner Ueberzeugung gehore,
was ſeinem Widerſpruch.“ ö
„Betruͤgt ihn nicht! Gewinnet von ſeinem
Herzen, was Ihr ſchon beſitzet von ſeinen Lip-
pen: bleibet gut, und ſo erweiſet Euch
Der Oberſt
Wir oͤffnen das Haus, er tritt
ihm! — Ich ſorge fuͤr Euch.
„Da nimmt Lisbeth jene lezte Aprikoſe
aus ihrem Bruſtlatz und, ſie theilend: hat je ein
Zeugniß gegolten unter Menſchen, ſagt
ſie, ſo rede dies wider uns, wenn wir
fehlen!“ — ö
„Und abermals zuckt das Geſicht des Oberſten
in ſchlecht verhehlter Ruͤhrung.“—
„Wir nahmen nun, Lisbeth un d i ch;
beide die Hand des beſten Mannes faſſend. Welch
ein Mahl! Und als die koſtlichſte Witgif be-
wahrt' ich den Kern.“
„„Wir haben ihn gepflanzt, mein Herr, als wir
hieher kamen durch die Liebe, durch die Theil-
nahme und Fuͤrſorge dieſet Vortrefflichen., O, kom-
men Sie! Sehen Sie ſein Gedeihen und das
unſers Gluͤcks!ꝰ —
Es war ein Tag von jenen des Aprils, wo der
Fruͤhling noch im erſten, geheimen Liebesverſtaͤnd-