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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (2) — 1822

DOI Kapitel:
No 97-104 (Dezember 1822)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22119#0537

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Charis.

Rheiniſche Morgenzeitung

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Bote vom Neckar und Rhein.

Vereinigtes Unterhaltungsblatt fur gebildete Leſer.

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N 102. Samstag, den 21. Dezember, 1822².

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Das Kreu z.

Ein Jüngling ging verlaſſen,
Und troſtlos fort und fort,
Im Schauer und Erblaſſen,
Als drück' ihn ſchwerer Mord.

Er ringt die wunden Hände,
Zum Himmel hoch empor:
v Ach ende, Vater, ende!“ —
Und betet wie zuvor.

Er ſindet kein Erweichen,
Ee ſchaut kein ſchönes Land,
»Und wandelt über Leichen,
und ringsum wilden Brand.

So ſeufzt er lange Tage,
Und ſucht das finſtre Grab,
So zehrt die herbe Klage
Ihn zum Geſpenſte ab.

Da ſieht er in den Fernen
Ein heilig Zeichen ſtehn;
Umglänzt von ſieben Sternen,
Umkost von Liebeswehn.

Und wie er näher wallet,
So ſteigt der Sterne Glanz/
Und immer ſüßer ſtralet
Die Liebe aus dem Kranz.

Er fühlt ſich angezogen,
Er ſinkt in Demuth hin —
Und ſieh! der goldne Bogen
Des Friedens ſchmücket ihn.
Im ſeligen Umfangen
Hält er das Zeichen feſt;
Die Schmerzen ſind vergangen,
Der Jüngling iſt erlöst.
L. M. Eiſenſchmid.

Roſettens Engel.

Von Katinka Halein.

Dort werden alle Wünſche ſtill verglühen,
Ein Traum iß's, was das Herz gedrückt.
Wir welken hin um wieder zu erblühen,)
Wenn wir der Erdenwelt entrückt.
Amalie Clarus. (Curtius geb. Kretſchmar.)

Der Paſtor Werner in W..... war ein gluͤck-
licher Gatte durch die Liebe ſeines edeln Weibes
Antonie, die mit jener ſuͤßen Schwaͤrmerei die nur
zarten poetiſchen Seelen eigen iſt, an dem Man-
ne ihrer Wahl hing. Die einzige Frucht dieſer
gluͤcklichen Verbindung war Roſette, die mit der
erſten Muttermilch Antoniens Gemuͤth und Denk-
art in ſich ſog.
Antonie hing mit unbegrenzter, faſt abgottiſcher
Zaͤrtlichkeit an ihrer einzigen Tochter; keinen Au-
genblick durfte die Kleine von ihrer Seite weichen,

immer war ſie um ſie beſchaͤftigt, und ſuchte die

Gedanken des Kindes mit einer reitzend poetiſchen
Ideenwelt zu verbinden, und von der Erde abzu-

ziehen. Sie beſchrieb ihr die Welt jenſeits des

Grabes, die Fortdauer nach dem Tode ſo entzuͤk—
kend, daß Roſettens junges Herz mit einer unend-
lichen Sehnſucht erfuͤlt ward. Die Erzäͤhlung
von Engeln die unſichtbar die Menſchen umſchwe-
ben, ja zuweilen den Geweihten in Stunden der
Gefahr in menſchlicher Geſtalt als Retter erſchei-
nen, machten einen tiefen Eindruck auf das weiche
Gemuͤth des Kindes, und ihr ganzes Streben ging
 
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