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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (2) — 1822

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No 1-9 (Januar 1822)
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Charis.

Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

*

Ne 1. Mittwoch, den 2. Januar 1822.

*

3Zumneuen Jahr.

In dem kalten Strom verrauſchter Zeiten
Hat das alte Jahr ſich abgekuͤhlt,
Und verdraͤngt in unbekannte Weiten
Lebt nur noch was jedes Herz gefuͤhlt.
Unerreichbar, jeder Luſt entſchwunden,
Unaufhaltbar ſelbſt der hoͤchſten Macht,‚
Wird die Kronick nur es dir bekunden
Daß es war, — was Schones es vollbracht.

Ueberwunden iſt ſo manches Leiden,

Das vom Stamme Frucht und Bluͤthe brach,

Hingeſtorben ſind des Frohfinns Freuden
Der von Roſenlippen ſcherzend ſprach:
Naͤher ſind wir alle jenem Ziele
Wo das Fatum ernſten Blickes thront,
Und im Kreislauf ringender Gefuͤhle,
Einzig nur der Geiſt des Friedens wohnt.

Voll Vertrauen laßt uns in die Fluten
Eines waͤrmern Stromes Pfeiler bau'n,
Jedes wunde Herz ſoll nicht mehr bluten,
Jedes frohe freundlich vorwaͤrts ſchaun.
Treu vereint zum hoͤchſten Gut der Erde,
Fuͤhr' uns offne Liebe in dies Jahr,
Und beſeelt von heit'rer Neigung werde
Alles Schoͤne, Wahre, jedem Sinne klar.

O, dann darf uns nicht die Zukunft ſchrecken
Gluͤh'n ſo rege Triebe in der Bruſt.
Jeder Mor gen wird zu Freuden wecken,
Jeder Abend ſchließen ſich mit Luſt.
In der Wahrheit ſtillem Heiligthume
Lebt ein goͤttlich reitzerfuͤlltes Bild ö
Und in ihren Gaͤrten bluͤht die Blume
Aller Blumen, die die Sehnſucht ſtillt.

——

Ach! es gab ſchon Tage, die der Zeiten
Raſche Welle fort im Strudel riß,
Wo Gemeingeiſt ſtrebte zu verbreiten
Was die aͤchte Kunſt vollendet pries.
Moge denn ein Lichtſtrahl hell entzuͤnden
Was, noch traͤumend, leicht im Schlafe ruht,
Und, durchs Leben fuͤhrend, ſanft verbinden

Edlen Kunſtſinn und der Wahrheit Glut.
Friedrich Karl Freiherr von Erlach.

—220 —900—.—K—6 2. —222222 —. —f. —.—

Habſucht und Lie be.

Wahre Begebenheit, erzählt von Karl Daeves.
Vor wenigen Monaten war Eduard von Treuen-
fels, mit herrlichen Kenntniſſen ausgeruͤſtet, von
Goͤttingen auf die, am freundlichen Elbufer liegende,
Stammburg ſeiner Familie zuruͤckgekehrt, und hatte
den laͤchelnden Fruͤhling in Umgebungen verlebt, an
deren geringſten Gegenſtand ſich die Erinnerung der
harmloſen Knabenjahre knͤͤpfte q.... als eines
Abends ſein Vater der alte Major — die Mutter
hatte das Daſeyn des Erſtlings mit dem Leben er-
kauft — in traulichem Geſpraͤche anhub: „Wie
waͤr' es, lieber Junge, wenn du dich nun nach ei-
nem Aemtchen umthaͤteſt? So gern haͤtt' ich
noch die Freude, dich verſorgt zu ſehen, denn unſer
Gut, das ich mit vielen Lehnsſchulden uͤbernahm,
kann dich, wie du weißt, nicht ernaͤhren.“
Die liebevolle Sorge des Vaterherzens in dieſer
Aeußerung erkennend, machte ſich Eduard in den
naͤchſten Tagen auf und es gelang ihm, empfohlen
durch gute Zeugniſſe, und durch das Vorwort ge-
wichtiger Maͤnner, bei der Regierung zu H— eine

Aſſeſſorſtelle zu erhalten.

Mit unendlichem Eifer wirkte er in ſeiner neuen
Sphaͤre, mit Entzuͤcken ſah ſein Vater die Achtung
 
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