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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (2) — 1822

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No 18-26 (März 1822)
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Charis.

Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

Ne 26. Samstag, den 30. Merz 183822.

Aus S Shakſpeare's Heinrich VIII.,
von Abrabam Voß.

Li e d.

Or feus ſang zur Laut', und freudig
Bog ſich Wipfel und Geſtaͤudig/
Bog der Fels ſich dem Getön.
Baum und Pflanze blüht' entgegen,
Gleich als blüht' in Sonn' und Negen
Junger Frühling, ewig ſchön.

Alles Land ward voll Gehöres,
Selbſt die wilde Flut des Meeres
ö Sank, vom Zauberhall bedroht.
Strömt der Tonkunſt Seelenſchauer,
Bittre Sorg' und herbe Trauer
Schlummern ein in haten Tod.

—..—— — — — — — —— — —k —4;⸗QRæL Jm:]! ————9—

Des jungen Eſſer Ritterfahrt.

Eine hiſtoriſche Novelle von La Motte Fouqué.

Fortſetzun g.
3.
Der ſchnelle Meeresbote hatte die Flotte eingeholt,
und dem Grafen das Schreiben ſeiner Monarchin
uͤbergeben, in einem Augenblicke, wo ſich ſo eben
Don Antonio bei ihm als Gaſt auf dem Verdeck er-
luſtigte. Eſſex, wohl neben dem fbrmlichen Ko-

nigsbrief noch eine andre Botſchaft ahnend, fand
alsbald jenes hineingeglittne Blaͤtichen, und es ge-

ſchickt verbergend, reichte er dem Don Antonio den

großen Bogen dar, ſprechend: „da ſeht, wie man.

mich von Euch zuruͤckdrohen will, und ermeßt ne-
benbei, ob von jener außerordentlichen Huld der
Kdnigin, womit neidiſche und muͤſſige Koͤpfe mich

ausſtatten, und woran Ihr ſelbſt noch vor Kurzem

zu glauben ſchienet, nicht wenigſtens neun und
neunzig Theile der Luͤge und Uebertreibung ange-
hoͤren. Ihr werdet finden: einige gemilderte Aus-
druͤcke ihres Kanzlers hat ſie durchſtrichen, und un-
gleich haͤrtere mit eigener Hand daruͤber geſchrie-
ben. Aber das kuͤmmre Euch weiter nicht; ich blei-
be Eurer Sache und Fahrt unwiderruflich ergeben,
und eile, das jezt meiner Koͤnigin in ehrerbietiger
Beſtimmtheit zu erwiedern.“ — Er ließ den ſtau-
nenden Antonio mit dem Briefe auf dem Verdeck
allein, und befahl ſeinem Geheimſchreiber, eine

Antwort aufzuſetzen, deren Ton und Inhalt er ihm

angab. Dann aber eilte er in ſein Gemach, ſchloß
hinter ſich ab, und las von dem zarten Blaͤttchen
folgende Worte Eliſabeths:

„ Als Lung zu Endymions Schlaf hernieder
Sanft neigt' ihr himmliſch wunderhohes Licht,
Verklärte Wonne ſüß ſein Angeſicht;
Er bat: „O ſcheide nimmer, nimmer wieder!“
Sie drauf: „Ach, Amor hebt ſein Schwunggeſieder
Schon wechſelnd dir, wenn nächſter Morgen bricht
Durchs Frühgewölk! Dann blüh'n die Blumen dicht
Rings um Dich her! Dann ſchmettern Lerchenlieder!

Dann dünkt wohl Luna bleich Dir und veraltet!
Der Sang der Nachtigall matt und erkaltet; —
Durch Blüthen fort lockt dich Aurora's Spur:

Doch hüte ſich, wer Luna's Lichtnatur
Erſt pries, und dann ſie höhnt! Die Rache waltet; —
Dann netzet Lunag's Thrän' um Dich die Flur! —

So unerſchuͤttert den ſtolzen Juͤngling die Droh-
worte jenes foͤrmlichen Briefes gelaſſen hatten, ſo
tief durchdrang ihm doch jezt den Buſen dieſe ſanfte
Klage der koͤniglichen Herrin. Nicht, daß irgend
 
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