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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (2) — 1822

DOI Kapitel:
No 53-61 (Juli 1822)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22119#0289

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Charis.

Rheiniſche Morgenzeitung

Un d

Bote vom

Neckar und Rhein.

Vereinigtes Unterhaltungsblatt fuͤr gebildete Leſer.

ů “ &

Ne 59.

———

Sage von der Veſte Gottesberg.

Gott führet Wunder oft herbei;
Der Schwache hält's für Zauberei.
I.
Bertha.

In der Abenddaͤmmerung ſaß Frau B ertha, den

Roſenkranz in der Hand, vor ihrer kleinen Huͤtte,
auf einem Eichenſtock, nahe an einem Felſenquell,
und harrete der wohlthaͤtigen Menſchen, die ihr im
Vorübergehen eine kleine Gabe an Geld oder ein
Stüclein Brodes darzureichen pflegten; als
im nahen Gebuͤſche ein ungewöhnlich Geraͤuſch
ſich vernehmen lies, und alſobald ein langer, ſtarker
Mann vor ihr ——0 in ſchwarzer Ruſtung, wohl
ſonder Speer und Spild, ber verſehen mit einem
breiten Sowerte. Der Mann ſprach: „Fromme
Frau! ſagt an, wer auſen dort oben auf der hohen
Veſte 22 ö
Bertha war wohl ſehr erſchrocken, ſchon ob des
Nahens eines Mannes auf ungangbarem Pfade,
und mehr noch uͤber die furchtbare Geſtalt des
ſchwarzgeruͤſteten Ritters; darum antwortete ſie mit
zitternder Stimme: „Dort oben hauſet ein maͤch-
tiger Herr, mit Namen Leupold von Geier-
ſtein,“ — „Iſt gaſtfrei der maͤchtige Burgherr?“
fragte wieder der ſchwarze Ritter. — Bertha
antwortete: „Er mag wohl der Gaͤſte viele haben;
wenn ihr euch zu ihnen geſellen wollet, ſo ſteiget
nur dieſen Pfad hinan, ſo da fuͤhret bis an das
Burgthor; ihr koͤnnet nicht fehlen!“ — Da bat
der ſchwarze Ritter, Bertha moge ihn geleiten,

Mittwoch, den 24. Juli,

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+ —

1822.

IC

weil er der Gegend ganz unkundig ſey. — Aber
Bertha fuhr ſchaudernd zuruͤck und ſprach: „Ihr
gemahnet mir wie ein unfrommer Feyenritter! Ich
bitte Euch, laͤßt mich altes Muͤtterlein ſonder Un-
frieden allhier beten zu Gott und der heiligen Jung-
frau, daß mir bald verliehen werden moͤge eine
ſelige Urſtaͤtt!“
„Mutter Bertha! — ſprach der fremde Mann
mit bewegter Stimme, und loͤſete den Helm von
ſeinem Haupte — „Schaut mich an! — Ich bin
nicht ein Diener böſer Fezen und Zauberer, noch
ihres Vaters, des Satanas!“ — „Ihr nennet
mich bei meinem Namen? — ſagte Bertha und
wagte es, in das Antlitz des langen, ſchwarzen Rit-
ters zu ſchauen — Hu! ein Geiſt!“ rief ſie und
ſank, ſonder Bewußtſeyn, dem Fremden in die Ar-
me, die er gegen ſie ausgebreitet hatte. — Aber
er beruͤhrte ihre Bruͤſt mit dem Knauf ſeines Schwer-
tes, und Bertha erwachte urploͤtzlich aus der Ohn-
macht. Dazu ſprach er: „Mutter Bertha! ich
bin nicht ein Geiſt! — Ich lebe! — Ihr habt mich
erkannt?“ — „Ja, — antwortete ſie — ich habe
dich erkannt, mein Hermann! — Auch weiß ich,
was dich hieher gefuͤhrt. Du willſt hinanklimmen
zu der Veſte Geierſtein; und Rache nehmen an
dem Raͤuber deines Erbes.“ — „Ja, Mutter
Bertha — antwortete Hermann — Rache uͤben
will ich dort oben, an dem ſchnoͤden Raubgeſellen!
Ach, meine Adelheid harret des Befreiers aus
gefaͤnglicher Haft!'« — „Aber — verſezte Ber-
tha — du biſt ja nicht bemannt; biſt ſelbſt ſonder
Speer und Schild?“ — Da ſprach Hermann
 
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