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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (2) — 1822

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No 10-17 (Februar 1822)
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Charis.

Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

T

Nꝰ 17.

Der Lorbeerbuſch,
oder das Nieſen um Mitternacht.

(Veſchluß.)

„Daß ich mit dir hier zuſammentreffen wuͤrde,

fiel mir nicht ein, als mir die alte Zigeunerin
Lolli, welche ich um Rath fragte, wie ich am be-
ſten in Beſitz der reizenden Dolee kommen koͤn⸗
ne, dies Gloͤckchen gab, und mich anwies, mich
heute Nacht hierher zu begeben, und bei Beant-
wortung eines aͤhnlichen Tons, dieſem nachzuge-
hen, der mich zu einer einſamen Unterredung mit
der Auserwaͤhlten bringen wuͤrde. Da wir uns in-
deſſen einmal hier getroffen haben, ſo laß uns dieſe
Liebesſache gleich naͤher uͤberlegen, und dieſen
Lorbeerbuſch, der neben ſeinen Niesorganen wahr-
ſcheinlich auch Ohren beſizt, zum Zeugen auhrrer
Unterredung annehmen.“
„Nun ſieh, Neffe, der Unterſchied zwiſchen uns
beiden iſt der, daß du ein Juͤngling und arm biſt,
ich aber zu geſezten Jahren gereift bin, und ein be-
traͤchtliches Bermoͤgen beſitze. Die Frage iſt nun,
wer von uns das liebe Kind gluͤcklicher machen wuͤr—
de, wenn er ſie zur Gemahlin bekaͤme?
Flitterzeit betrifft, ſo mag ihr ſolche in deinen Ar-
men und an deinem mit Liebesaͤther geſaͤttigten
Herzen wohl angenehmer vergallopiren, als ſie ihr
vergehen wuͤrde an meiner Bruſt, der der ſinnige
Kopf zum Deckel dient. Bedenke indeſſen, daß ein
Herz voll Liebe ſich ſchneller verfluͤchtigt, als eine
wohlbeleibte Kiſte voll Goldſtuͤcke, und daß erſteres,
ohne den maſſiven Grund einer wohlbeſezten Tafel
und ohne den Zufluß der Champagner-Kraft, eher
der Erkaͤltung und dem Katharr unterliegt, als das

A

Mittwoch, den 27. Februar

ÆÆ

Was die

ꝗꝗ

18²².

Vergnuͤgen erſtirbt, welches ein Frauenzimmer in
dem Genuß eines lebenslaͤnglichen Glanzes und der
ausgeſuchteſten Luſt fuͤhlt. Was meinſt du hierzu-
Neffe?“
Meine Meinung — erwiederte der Juͤngling —
kann hierbei wohl von keiner Erheblichkeit ſeyn, da
das Urtheil uͤber Ihre Anſichten in dem Pankte der
Liebe mehr dem Gegenſtande unſerer gemeinſamen
Zuneigung anſteht; und ſo wuͤrde ich wuͤnſchen, daß
die holde Dolce ſelbſt die Wahl unter uns, deren
Umſtaͤnde ſie wahrſcheinlich in dem ſie bergenden
Buſche vernommen hat, treffen möchte, wenn ſonſt
einer von uns je ſo gluͤcklich ſeyn duͤrfte, ſie einſt
ſein nennen zu koͤnnen. Laſſen Sie uns daher un-
ſere gemeinſchaftlichen Bitten an den Lorbeerbuſch
richten, und verſuchen, ob wir ihn zum Sprechen
und zur Eniſcheidung unſers Schickſals bewegen

koͤnnen. “

„Du ſprichſt hierdurch auch meine Meinung aus,
Neffe — verſezte der Oheim — ehe wir indeſſen das
belebte Gebuͤſch uͤber uns entſcheiden laſſen, höͤre
mich. — Der Gedanke, das liebe Maͤdchen zu
meiner Gattin zu machen, iſt mir ſo vertraut ge-
worden, daß ich viel darum geben wuͤrde, ihn zu
verwirklichen, und da mir hierbei, ſo viel ich weiß,
niemand weiter im Wege ſteht, als du, ſo ſey ſo
freundlich, und mache deinem vaͤterlichen Freunde
Platz. Du ſollſt auch nicht Urſache haben deine Ge-
faͤlligkeit zu bedauern, denn ich mache dich dann
nicht nur aus Dankbarkeit ſogleich zum Herrn zweier
meiner ſchoͤnſten Beſitzungen, ſondern hinterlaſſe
dir auch außerdem bei meinem Abſterben ein reiches
Erbe. — Was meinſt du zu dieſem Vorſchlaͤge,
Neffe? Ich denke, du ſtehſt dir ſehr im Lichte,
 
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