Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (2) — 1822

DOI Kapitel:
No 18-26 (März 1822)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22119#0095

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Charis.

Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

m

Ne 19.

X



Des jungen Eſſer Ritterfahrt.

Eine hiſtoriſche Novelle von La Motte Fouqué.

I.

Es war an einem neblig dunkelnden Maͤrzabende
des Jahres 1589, daß ein ſchlanker junger Ritter
auf eben ſo ſchlankem Roß vor einer kleinen, ſehr ver-
fallnen Meierei hielt, die am britanniſchen Meeres-
ſtrande lag, und darin Alles, der noch keinesweges
ſpaͤten Stunde ungeachtet, in den tiefſten Schlum-
mer verſunken ſchien. Denn kein Lichtſchimmer
drang durch die halboffenen Fenſterladen, und keine
Seele regte ſich im innern des Baues. Graf Eſ-
ſer — er war der junge Reiter — hatte zum er-
ſtenmale hoͤflich leiſe, dann laut und immer lauter,
und endlich heftig und beinahe gewaltſam an die
verriegelte Hofespforte geklopft; — noch immer
blieb Alles ſtill, und er murmelte aͤrgerlich in ſich
hinein: „es iſt doch wahrhaftig zu toll, daß ein ver-
jagter Baſtard des Koͤnigs von Portugall einen eng-
liſchen Ritter ſo ungezogen warten laͤßt! Denn
ſicherlich iſt der halbverruͤckte Fuchs im Bau und
kann ſich nur aus lauter Grandezza nicht entſchlie-
ßen, ſeine Beine oder ſeine Stimme in Bewegung
zu ſetzen. Und dem Burſchen ſoll man nun ein
Koͤnigreich erobern helfen. Aber was thut es! Giebt
es doch Kampf dabei, und die weltbeſiegenden Roͤ—
mer haben in ihren hochfahrenden Launen wohl das
Diadem auf manch ein eben ſo verwunderliches
Haupt geſezt. — Wo er nur bleibt? — Heraus
muß er doch endlich gucken, — oder ich breche ihm
das Pfoͤrtchen, welches er das Hauptthor ſeiner Re-
ſidenz zu nennen beliebt, in tauſend Stuͤcke, und

———

Mittwoch,

den 6. Mærz

X I



ÜI *

1822.

X “

komme zu ihm hinein. Iſte es ja doch zu des Gril-
lenfaͤngers eignem Beſten.“
Und damit ſprang er vom Roß, band dies an ei-
ne nahe Weide feſt, und machte Anſtalt, die kleine
Pforte einzurennen. —
„Halt! — rief eine kraͤchzende Weiberſtimme in
ſpaniſcher Sprache aus einem Seitenfenſter des
Haͤusleins — halt, Sennor! Wer heißt Euch ein
ſo gar ungebuͤhrliches Laͤrmen verfuͤhren, vor der
ietzigen Behauſung, um nicht zu ſagen: dem Som-
merpallaſte des Infanten Don Antonio de Ca-
ſa Humilde, Pratendenten des Koͤnigreichs Por-
tugall, — um nicht zu ſagen: rechtmaͤßigen Koͤnigs
von Portugall, wie es ſſich doch eigentlich ziemen
und gebuͤhren möchte. —
„Sennora Egypciana — entgegnete halb lachend,
halb aͤrgerlich Eſſex in derſelben Sprache — Sen-
nora Egypeiana — und leiſe ſezte er hinzu: um
nicht zu ſagen: alte Zigeunerhexe, — wer nicht

auf das leiſe Klopfen ſeiner Gaͤſte hoͤren will, muß

es ſich gefallen laſſen, daß ſie laut klopfen!“
— „Ach — rief die Alte mit einem phantaſtiſchen
Zuſammenſchlagen der Haͤnde aus — biſt Du es,
junger Eſſer? Du wunderlicher Edelſtein! Du Blut-
opal! Du gluͤckliches Ungluͤckskind! Du ungluͤckli-
ches Gluͤckskind! Du, welcher Amors Flamme auf
dem Heerde der noͤrdlichen Veſtalin angezuͤndet hat!
Warte, daß ich Dir dffne! Gedulde Dich! Es
ziemt ſich nicht, daß der Abendthau den Rubinen-
ſchmuck um Deinen Halskragen beflecke!“
Sie eilte vom Fenſter zuruͤck und Eſſex murmelte
lachend: „ein Rubinenſchmuck um meinen Hals-
kragen! Das waͤre mir ein ſauberer Putz auf einer
Hetzjagd, wie ich ſie heute beſtanden habe, und auf
 
Annotationen