Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (2) — 1822

DOI Kapitel:
No 62-70 (August 1822)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22119#0315

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Charis.

Rheiniſche Morgenzeitung

unn d ö
Bote vom Neckar und Rhein.

Vereinigtes Unterhaltungsblatt fuͤr gebildete Leſer.

EIRRII

No 65.

+ * ⏑

Mittwoch, den 14. August, 1822.

e I A“

Organe meines Herzens dicht und feſt verſtopft haͤtte.
Meine Tochter Marie kennt dieſe meine boͤſe Dienſt-

* DIIST

Die Aufer ſt an dene.

Von Franz Richter.

I.
Berlin/ den 24. Nov. 1789.
Der geheime Finanzrath Kraft an den Vornrath
ö Ernſt.
Ich verdenke es Dir nicht, Freund, wenn Du Dich
wunderſt, nach jahrelangem Schweigen einmal wie-
der einen Brief von mir anſichtig zu werden. Aber
wer, wie ich, ſo in Atten vergraͤben liegt, daß ihm
die Atrenwelt kaum geſtattet, einen Blick in die
wirkliche Welt zu ſchicken, geſchweige einen Brief,
der ſollte ſich eigentlich der Gefuͤhle fuͤr Freundſchaft
entſchlagen, denn er hat weder Zeit dazu, noch
Anſpruͤche darauf. Ich will zwar hiermit nicht ge-
ſagt haben, daß ich fuͤr meine Freunde, und ins-
beſondere fuͤr einen ſolchen langiaͤhrigen, bewaͤhrten
Freund wie Du biſt, nicht noch das innigſté Wohl-
wollen empfinden ſollie; aber, Ernſt, anders iſt
doch meine jetzige Freundſchaft fuͤr Dich, als ſie
ſonſt, und namentlich in Frankfurt an der— Oder,
war, wo wir beide ſtudierten. — Damals, ich
mochte Geld haben oder keins, hing ich mit gleicher
Liebe an Dir, jezt darf mir in meinem Geſchaͤfts-
kreiſe nur eine Akziſe- und Zoll-Direktion mit dum-

men Berichten, ja ſelbſt ein elendes Waſſerzollamt

mit einfaͤltigen Anfragen, in die Quere kommen,

ſo vergeſſe ich, in meinem ex okficio Aerger, Freund,
Familie, ja ich glaube ſelbſt den lieben Gott daruͤ⸗
ber, und es iſt, als ob der Aktenſtaub mir mit den
Reſpirationsorganen, zugleich auch die ſentimentellen

laune ſehr wohl, und weiß mit Zaͤrtlichkeit, gelaͤu
ſiger Zunge und poſſierlichen Einfaͤllen ſo auf meine
lederne Stimmung einzuwirken, daß ich, um dem-
Wettermädchen ihre Gewalt uͤber mich nicht ſehen
zu laſſen, oft noch mein Geſicht in finſtere Falten
laſſe, wenn ſchon mein Inneres herzlich lacht.
So iſt es auch, ehrlich geſtanden, ſie, die mich
zu dieſem Briefe an Dich veranlaßt hat, und zwar
wegen folgenden Vorfalls.
Ich ſuchte vor Kurzem einen Sekretaͤr, der mir
bei meinen Amtsgeſchaͤften zur Hand g6ehen und
noch außerdem die Eintuͤnfte meiner beiden Guͤter
einziehen und berechnen koͤnnte. Hierzu beburfte
ich eines in der Feder gewandten und ehrlichen
Subjekts. Es meldeten ſich zwar mehrere; aber
theils machten ſie zu große Praͤtenſion, theils ſahen
ſie ſo pfifig und gegen meine Tochter ſo liebaͤugelnd
aus, daß mir die Kerle gefaͤhrlich ſchienen, und ich
ſie, trotz ihrer zum Theil guten Zeugniſſe, ruhig
wieder abziehen ließ. Schon meinte ich, es wuͤrde
der rechte Mann nicht kommen, da erſchien ein lan-
ger verwachſener Menſch mit einem ehrlichen, etwas
einfattigen Geſicht, der aber ein ſo vorzuͤgliches At-
teſtat von einem Herrn von Irwin, bei dem er
als Schreiber gedient hat, vorzeigte, und in der
Pruͤfung ſo gut beſtand, daß ich ihn ohne Anſtand
als Privat-Sekretaͤr bei mir anſtellte. Jezt ſteht
er ſeit einem Monat in meinem Dienſte, und ich
bin in Hinſicht ſeiner Geſchaͤftsfuͤhrung ſo vollkom-
men mit ihm zufrieden, daß ich nur noch in einer
 
Annotationen