Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (2) — 1822

DOI Kapitel:
No 88-96 (November 1822)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22119#0463

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Charis.

Rheiniſche MNorgenzeitung

uUn d

Bote

vom Neckar

uen d Rhein.

Vereinigtes Unterhaltungsblatt fuͤr gebildete Leſer.

IIII ÆÆ

No 90.

Samstag, den 9. November,

1822.

&Æ & Æ & &Æ- T& *

Der Kdnig und die Hirten.
Erzählung nach dem Franzöſiſchen.

Ein Koͤnig, edel, groß und gut, doch ſtets
Getaͤuſcht in ſeinem Plan zum Wohl des Reiches,
Rief unmuthsvoll: „Kein trauriger Geſchick,
Als Koͤnig ſeyn! — Gern moͤcheich Frieden halten,
Und bin zum Krieg gezwungen; Kindern gleich
Lieb' ich die Unterthanen, doch ich muß
Belaͤſten ſie mit Steuern aller Art;
Wahrheit will ich, und finde nur Betrug.
Je mehr ich forſche nach des Uebels Grund,
Je wen'ger wird mir Licht: Leid druͤckt das Volk
Zu Boden, und der Gram verzehrt mein Herz!“ —

So wandelt er in duͤſteren Gedanken
Aus des Pallaſtes Garten auf die Flur,
Und kommt auf eine Haide, wo die Heerde
Des Lykas geht; doch traurig iſt ihr Anblick.“
Die Widder ſind unkraftig und vermagert,
Die Schaafe irren ordnungslos umher,
Und klaͤglich bloͤcken durch das Feld die Jungen.
Doch in Verzweiflung laͤuft der Hirt bald hier,
Bald dorthin, weiß ſich nicht zu helfen, und
Iſt er beim einen Schaaf, kommt aus den Buͤſchen
Der Wolf, und raubt das and're ſchnell binweg.
Indeſſen raſten, unbekuͤmmert um
Der Heerde Wohl, im Gras die beiden Hunde.
Nicht Rath mehr weiß der arme Lykas, rauft
Sein Haar, und fleht um Tod die Gotter an. —
„O meiner Lage ſehr getreues Bild!
(Sagt mitleidsvoll der Fuͤrſt;) die guten Hirten
Sind nicht begluͤckter, als wir Koͤnige.

Des Lebens Sorg' und Laſt, des Undanks Lohn
Fuͤr Muͤh⸗ und Wohlthat — o ſie weilen nicht
Nur im Pallaſt, auch in des Feldes Huͤtten!“ —
Und weiter wandelt er, und ſchaut, begrenzt
Vom ſtillen Hain, im blumigen Gewand,
Begraste Au'n, vom Silberbach durchfloſſen.
Es weidet hier das ſchoͤnſte Wollenvieh,‚
Indeß Damdt, der Schaͤfer, forgenlos
Im Buchenſchatten liegt, die Floͤte ſpielt,
Und ſingt ein Lied zum Lob der blonden Iris.
„Wie? (ſpricht der Köͤnig;) ſah ich eben doch
Den Armen, dem bei allem Fleiß die Heerde
Verkuͤmmert und ein Raub des Wolfes wird!
Und dieſer Thor bleibt ruhig. Doch es heißt
Im Sprichwort: Die verliebten Schaͤfer geben
Den Woͤſrfen leichtes Spiel! — Wenn einer kaͤm',
Ich lachte wohl —“ Und ſieh, wie aufgerufen
Erſcheint der Wolf: da ſchieſſet, wie der Blitz,
Ein Hund auf ihn, pakt an, und wirft ihn nieder;

Vom Kampfe, der die Flur durchſchallt, erſchreckt,

Entflieht ein Theil der Schaaf' hinab ins Feld;
Ein and'rer Hund eilt nach und bringt ſie wieder,
Und im Moment iſt Ordnung hergeſtellt.
Bei dieſem Schauſpiel, das ſo ſchnell geendet,
Erhebt der Hirt ſich von dem Raſen nicht.
Unwillig faſt ſpricht der Monarch zu ihm:
Du haſt viel Gluͤck! Es hauſen Woͤlf' im Walde
Und deine Heerde, ſchoͤn und fett, wie keine,
Entgehet der Gefahr. Welch Mittel kann ..4 —
„Das Mittel, Herr! (verſezt der Schaͤfer) hat
Zwei Worte nur; ſie heiſſen: — Hunde!“ —

K. Geib.
 
Annotationen