Charis.
Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.
TTTTTTRTCNTTTTTRTT
den 23. Februar 182²
NL 16. Samstag,
Desdemona's Tod.
Aus Shakſpeare's Othello neu uͤberſezt
von H. Voß d. J.
22222— — ——2—— 22—2.— — —.———
I.
Desdemona und Emilia.
Emilia.
Wie geht's nun? er ſieht milder als zuvor.
Des demona.
Er ſagt, zurück ſeyn werd' er ungeſäumt.
Mir gab er den Befehl, zu Bett zu gehn,
Und hieß mich euch entlaͤſſen.
Emilia.
Mich entlaſſen!
Desdemona.
Er wollt' es ſo. Drum, mein' Emilia /
Gieb mir mein Nachtgewand, und lebe wohl.
Wir müſſen jezt ihm nicht misfallen.
Emilia.
O hättet ihr ihn nie geſehn!
Des demona.
Das wollt' ich nicht. Mein Herz liebt ihn ſo ſehr,
Daß ſelbſt ſein Zorn, ſein barſcher Ton und Blick —
Komm, ſieck' mich los — anmuthig ſcheint und hübſch.
Emilia.
Die Tücher hab' ich euch aufs Bett gelegt.
Desdemona.
All eins. — Du Himmel, wie man albern iſt. —
Sterb' ich vor dir, ich bitt' dich, hülle mich
In eins von jenen Tüchern.
Emilia.
Kommt, ihr ſchwazt.
Desdemona.
Mein' Mutter hatt' ein' Magd, hieß Barbara;
Die liehr', und, den ſie liebte, der ward wild,
Und floh ihr weg. Sie hatt' ein Lied von Weide,
Ein alt Ding wars, doch paßt' es auf ihr Leid.
Sie ſtarb, indem ſie's ſang. Das Lied, heut Nacht,
Will mir nicht aus dem Sinn. Zu thun had' ich,
Daß nicht den Kopf ich ganz ſo hangen laſſ',
Und ſinge, wie arm Bärbchen. Nu geſchwind.
DSSSI
IV-
Emilia.
Hol' ich eu'r Nachtkleid her?
Desde
Dedemene gein, ſjeck mich los.
Der Lodoviko iſt ein feiner Mann.
Emilia.
Ein gar zu hübſcher Mann.
Desdemona.
Und er ſpricht gut.
Emilia.
Ich kenn' ein Fraunbild in Venedig, die
Baarfuß gewallt wär' ins gelobte Land
Um einen Kuß von ihm.
Desdemona ſingt.
Arm Mägdlein ſaß ächzend am Feigenbaum früh,
Singt Weide, grüne Weide;
Die Hand auf dem Buſen, das Haupt auf dem Knie
Singt Weide, Weide, Weide.
Friſch rauſchte das Bächlein, und murmelt' ihr Ach,
Singt Weide, grüne Weide;
Heiß ſtürzte die Thräne, die Felſen wohl brach, —
Leg' dies bei Seite. —
Singt Weide, Weide, Weide.
Bitt' dich, mach ſchnell; er kommt ſogleich.
Von Weiden all flecht' ich ein Kränzelein mir.
O tadl' ihn mir keiner, ſein Zorn iſt mir recht, —
Nein dieſes folgt noch nicht. — Horch auf! wer klopftꝰ
Emilia.
Es iſt der Wind.
Desdemona ſingt.
Ich nannt' ihn Falſchliebſter, was ſagt' er dazu?
Singt Weide, grüne Weide;
Ich liebe mehr Mägdlein, mehr Büblein liebſt du.
So, nun geh fort; gut' Nacht. Mein Auge juckt;
Bedentet das wohl Weinen?
Emilia. „
Nimmermehr.
II.
Schlafzimmer. Desdemona ſchlaͤft. Ein Licht
brennt neben ihr. Othello tritt herein.
Othello.
Die Sache wills, die Sache will's, mein Herz!
Nicht laßt mich ſie euch nennen, keuſche Sterne!
Die Sache will's! — doch nicht ihr Blut verſtrömt,
Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.
TTTTTTRTCNTTTTTRTT
den 23. Februar 182²
NL 16. Samstag,
Desdemona's Tod.
Aus Shakſpeare's Othello neu uͤberſezt
von H. Voß d. J.
22222— — ——2—— 22—2.— — —.———
I.
Desdemona und Emilia.
Emilia.
Wie geht's nun? er ſieht milder als zuvor.
Des demona.
Er ſagt, zurück ſeyn werd' er ungeſäumt.
Mir gab er den Befehl, zu Bett zu gehn,
Und hieß mich euch entlaͤſſen.
Emilia.
Mich entlaſſen!
Desdemona.
Er wollt' es ſo. Drum, mein' Emilia /
Gieb mir mein Nachtgewand, und lebe wohl.
Wir müſſen jezt ihm nicht misfallen.
Emilia.
O hättet ihr ihn nie geſehn!
Des demona.
Das wollt' ich nicht. Mein Herz liebt ihn ſo ſehr,
Daß ſelbſt ſein Zorn, ſein barſcher Ton und Blick —
Komm, ſieck' mich los — anmuthig ſcheint und hübſch.
Emilia.
Die Tücher hab' ich euch aufs Bett gelegt.
Desdemona.
All eins. — Du Himmel, wie man albern iſt. —
Sterb' ich vor dir, ich bitt' dich, hülle mich
In eins von jenen Tüchern.
Emilia.
Kommt, ihr ſchwazt.
Desdemona.
Mein' Mutter hatt' ein' Magd, hieß Barbara;
Die liehr', und, den ſie liebte, der ward wild,
Und floh ihr weg. Sie hatt' ein Lied von Weide,
Ein alt Ding wars, doch paßt' es auf ihr Leid.
Sie ſtarb, indem ſie's ſang. Das Lied, heut Nacht,
Will mir nicht aus dem Sinn. Zu thun had' ich,
Daß nicht den Kopf ich ganz ſo hangen laſſ',
Und ſinge, wie arm Bärbchen. Nu geſchwind.
DSSSI
IV-
Emilia.
Hol' ich eu'r Nachtkleid her?
Desde
Dedemene gein, ſjeck mich los.
Der Lodoviko iſt ein feiner Mann.
Emilia.
Ein gar zu hübſcher Mann.
Desdemona.
Und er ſpricht gut.
Emilia.
Ich kenn' ein Fraunbild in Venedig, die
Baarfuß gewallt wär' ins gelobte Land
Um einen Kuß von ihm.
Desdemona ſingt.
Arm Mägdlein ſaß ächzend am Feigenbaum früh,
Singt Weide, grüne Weide;
Die Hand auf dem Buſen, das Haupt auf dem Knie
Singt Weide, Weide, Weide.
Friſch rauſchte das Bächlein, und murmelt' ihr Ach,
Singt Weide, grüne Weide;
Heiß ſtürzte die Thräne, die Felſen wohl brach, —
Leg' dies bei Seite. —
Singt Weide, Weide, Weide.
Bitt' dich, mach ſchnell; er kommt ſogleich.
Von Weiden all flecht' ich ein Kränzelein mir.
O tadl' ihn mir keiner, ſein Zorn iſt mir recht, —
Nein dieſes folgt noch nicht. — Horch auf! wer klopftꝰ
Emilia.
Es iſt der Wind.
Desdemona ſingt.
Ich nannt' ihn Falſchliebſter, was ſagt' er dazu?
Singt Weide, grüne Weide;
Ich liebe mehr Mägdlein, mehr Büblein liebſt du.
So, nun geh fort; gut' Nacht. Mein Auge juckt;
Bedentet das wohl Weinen?
Emilia. „
Nimmermehr.
II.
Schlafzimmer. Desdemona ſchlaͤft. Ein Licht
brennt neben ihr. Othello tritt herein.
Othello.
Die Sache wills, die Sache will's, mein Herz!
Nicht laßt mich ſie euch nennen, keuſche Sterne!
Die Sache will's! — doch nicht ihr Blut verſtrömt,