Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (2) — 1822

DOI Kapitel:
No 18-26 (März 1822)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22119#0099

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Charis.

Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

“-Æe&

Nè 20.

Samstag,

*

Des jungen Eſſex Ritterfahrt.

Eine hiſtoriſche Novelle von La Motte Fouqué.

Sortſetz ung.

Derweilen war die Alte herabgekommen, oͤffnete
die Pforte und winkte, eine Laterne vor ſich hin-
haltend, den Grafen hinein. Da dieſer im unwill-
kuͤrlichen Zoͤgern einen Augenblick ſtehen blieb, ſag-
te ſie: „Ich weiß wohl, junger Phoͤnix, Dir hat
das misfallen, was ich vorhin vom Rubinenhals-
bande ſprach, — und wohl mancherlei in meinen
Reden noch ſonſt. Aber ſey mir darum nicht boſe.
Muß ich arme Egypterin doch ſprechen, wie es mir
die wunderſamen Geiſter eingeben, die eine ſchwere
Gewalt uͤber mich haben, ſeit ich mich in die große
Pyramide hineinwagte, ganz allein, als eben der
Nil im Anſchwellen war und der Mond ein Drei-
viertelsverſtecken hinter der Erde ſpielte und ſich an-
ſtellte, als waͤre er die Sichel des Todes, — aber du

ſchuͤttelſt ſchon wieder verhoͤhnend den Kopf, o ſchͤ⸗

ner Phaeton, dem die Sonne ſo gern die Zuͤgel
ihrer koniglichen Roſſe in die tapfere Hand legen

möchte! — Wozu denn ringt der Menſch nach
Weiſſaͤgerkraft, wenn ihr der Menſch doch niemals
vertraut! Oh! — ſeufzte ſie mit tiefem, ſchauer-

lichem Stoͤhnen — oh, der bangen, nutzloſen Laſt,
die mir alle Fugen der Seele auseinander treiben
will! — Und nicht einmal der Aglaſter glaubt or-
dentlich dran!“ —
„Was kümmere ich mich um Deinen Aglaſter
und was weiß ich von dem!“ rief Efſex aus, un-
zufrieden mit ſich ſelbſt, daß ihn das Geſchwaͤtz der
Zigeunerin ſo wunderlich hier auf der Schwelle feſt-
banne. „Ich frage nach Don Antonio!“ —

II —

den 9. Mærz

1822.

““-“

———

„Das iſtſia eben der Aglaſter! — entgegnete mit
einem verzerrten Laͤcheln die Alte. — Kennſt Du
den Aglaſtervogel nicht? den Elſtervogel? Schwarz
und weiß, und weiß und ſchwarz, und eben darum
nicht ſchwarz, nicht weiß. Haſt wohl vernommen,
wie Aglaſter der Erſte geboren ward? Da hatte
ein ſchneeweißer Taͤuberich ſich verruͤckterweiſe in
eine rabenſchwarze Dohle verliebt, und aus dem
tollen Liebesbund ward der zweifarbige Vogel gebo-
ren, — unſer Zigeunervolk nennt ihn auch biswei-
len Meiſter Lichtſchatten oder Meiſter Schattenlicht.
— Nun ſiehſt Du, ſo hatte ſich der lezte Koͤnig von
Portugall in eine Gemuͤſehaͤnoͤlerin verliebt, und
aus dem tollen Liebesbund entſtand mein Aglaſter,
mein Don Antonio.“ — ö
„Wie kannſt Du ſo unehrerbietig von ihm reden,
— ſagte Graf Eſſex — da Du doch vorhin noch
ſeiner als eines rechtmaͤßigen Koͤnigs erwaͤhnteſt!? —
„Ja, warum iſt er ein Aglaſter! — entgegnete
die Alte — Von dem laͤßt ſich nun einmal nicht an-
ders reden, als er ſich zeigt: zweifarbig naͤmlich!
Manchmal blenden nur ſeine weiße Federn die
Augen, daß ich wirklich denke, er ſey ganz und gar
ein Taͤuberich. Zur Abwechslung kommt er mir.
dann, wieder wie eine ganz kohlſchwarze gemeine
Dohle vor, — und das iſt doch auch nicht wahr.
— Manche Redensarten auch — wie die, welche
ich vorhin hielt, — hat er mir durch endloſes Wie-
derholen eingelernt. Denn lernt Aglaſter viel,
ſo will er doch auch bisweilen lehren. — Jezt hat
er ſich Fleiſch mit Zwiebeln gekocht, und in einer
Laune ſeiner Mutter Dohle hat er das Licht ausge-
macht, damit man die Wohnung fuͤr leer halte, und
Niemand hereinkomme, ihm etwas von dem koſtli-
chen Mahle wegzuſchmauſen. In der vaͤterlichen
 
Annotationen