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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (2) — 1822

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No 10-17 (Februar 1822)
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Charis.

Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

Ne 15. Mittwoch,

&&Æę

Verſuch einer Karakterſchilderung
des
Aberglaubens.

(nach Oeoοοἀσιτοσ περnì79-apeg.)

Aberglaͤubig wird der genannt, welcher mancherlei
oft geringfuͤgige Zufaͤlle als die nothwendigen un-
fehlbaren Vorzeichen gewiſſer Begebenheiten anſie-
het, oder gewiſſen unbedeutenden meiſt laͤppiſchen
Handlungen beſtimmte bedeutende Wirkungen bei-
mißt; z. B. Solcher Menſch, aufgeſchreckt aus dem
Schlafe ſpringt vom Bette auf, rufend: „Johann!
Licht! — und indem er das Traumbuch durch-
geſucht ſpricht er: „O weh — Katzengemaunz
bedeutet Zank und toͤdtliche Feindſchaf-
ten! — doch beruhigt ihn wieder das Weitere:
„Luͤderlichkeitenbedeuteneheliche Freude
und Gluͤck. — — Er kleidet ſich an, da kracht
die Kommode und er fragt nachſinnend: Wer
mag ſich denn da wohl anzeigen? — — Der
Kaffee wird gebracht und, als er einzuſchenken
beginnt, faͤllt ihm die porcellanene Kanne zur Erde.
„Eh! Ey! ſagt er ſehr bedenklich, der Tag
faͤngt mit ungluͤck an — waͤre er doch gluͤck-
lich voruͤber — oder — vielleicht, wer weiß, habe
ich den Kaffee nicht trinken ſollen!“ — — Er
will die verpanzerte Halsbinde à la mode umthun,

und indem er, dem geſtopften Gaͤnſerich aͤhnlich

den Hals emporſtreckend, Genickſchmerzen ver-

ſpuͤrt, macht er ſich Vorwuͤrfe daruͤber, daß er bein

dem Schlafengehen den linken Strumpf
um den Hals zu binden vergeſſen habe, doch
mit Geiſtesgegenwart ruft er: Johann! — Hole
mir doch die alte Waſchfrau heruͤber, die ſoll

AI II

den 20. Februar

N

1822.

AII III& &&Æ œ¶-/!Y?f/f⏑Æ

mir ein Wenig uͤber den Hals blaſen, Nota
Bene, auch die bewußten Karten mütbringen!
— — Dann bemerkt er einen Brief, den Jo-
hann auf den Tiſch gelegt, und ſpricht laͤchelnd:
das habe ich mir geſtern Abend ſchon gedacht, als
mir am Licht ein ſo ſchoͤnes Roschen ent-
gegen brannte, daß mir's leid that, endlich doch
einmal die Putzſcheere gebraͤuchen zu muͤſſen.— —
Als er ſeinen Freund beſucht und von dieſem um
die Urſache ſeiner traurigen Miene geſragt wird,
giebt er zur Antwort, es ſey eben unten im Hofe
gerade vor ihm quer uͤber den Weg eine
Maus hingeſprungen. — — Er ſchlaͤgt die ihm
vorgeſezten Aepfel aus mit der bedeutungsvollen
Erklaͤrung: „Heute, am Neujahrstage eſſe ich
dergleichen nie, weil man ja ſonſt Geſchwuͤre
bekommen koͤnnte. Deswegen habe ich auch wohl-
bedacht heute kein friſch Weißzeug angethan!“
— — Uuch warnt er ſeinen Freund, daß er ſich
Freitags ja nicht mehr die Naͤgel ſchnei-
den moͤge. — — Auf deſſen Frage, was fuͤr einen

rothen Bindfaden er an der Weſte hervorhaͤn—

gen habe, antwortet er, dieſen geheimnißvoll ein-
knoͤpfend: „Ey! das iſt gegen allerlei Böͤſes
— blos Sympathie!“ — — Er gedenkt wei-
tere Beſuche zu machen, beſinnt ſich aber auf der
Straße, als ihm eine Heerde Schweine entge-
genkommt, bald eines Andern in der ihm hierdurch
gewordenen Gewißheit, nicht willkommen zu
ſeyn. — — Beim Spaziergange am Fluſſe hin
ſieht er die Schiffleute das feſtſtehende Eis wegar-
beiten. „Ihr lieben Leute,“ ruft er dann, lauter
unnoͤthige Muͤhe! Der Fluß frieret nolens volens
doch zu. Es hat ja am 1. November geregnet. —
 
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