Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (2) — 1822

DOI Kapitel:
No 53-61 (Juli 1822)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22119#0283

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Charis.

Morgenzeitung

Rheiniſche

unn d

Bote vom Neckar und Rhein.

Vereinigtes Unterhaltungsblatt für gebildete Leſer.

——————

Ne 58.

IIIIITTTITTT

2——4— ————

Samstag,



Wird der Geliebte bald kommen?

R o manze-

An Ufersrande weinte ö
Das Maͤgdlein in den Ser,
Das Schifflein ſollte kommen
Dort wiegend auf der Höh/
Den Liebſten ſollt' es bringen
Aus weiter Ferne Graun,
Doch wollt' er nimmer kommen,
Kein Wimpel war zu ſchaun.

Er wohnt' im fernen Lande
Und zweimal in dem Jahr,
An Chriſti Auferſtehung
Und wenn Sankt Klara war,
— Das war des Mägdleins Namen —
Gezogen er da kam,
Stets zur gewiſſen Stunde
Sie in die Arm' er nahm.

Wie iſt es ihm ergangen,
Was hält ſein Schifflein an?
Nicht löſchen ſeine Flammen
Der Lieb' auf keiner Bahn.
Was iſt ihm doch begegnet?
Das Herz fühlt banges Weh,
Manch Wölkchen kömmt geflogen,
Nicht Er kömmt auf der See.

Doch unerwartet nahet
Nach heil'ger Klara Tag
Drei Tag', ein Wimplein ſpielend/
Es ziehn ihm Lüftchen nach.
Der Himmel klar gebreitet 2
Glänzt klar auch in der Fluth⸗⸗
Sie ſteht bis an die Wellen

Und ſieht, wie's Schifflein thut,


*

————9——

den 20. Juli,



1822.

Jezt kömmt es nah geſchwommen/
Jezt hält's an Ufersrand,
Wer iſt wohl ausgeſtiegen?
Sein Bruder kömmt ans Land.
Er bringt die Todeskunde,
Das Mägdlein zaget ſehr,
Sie hat nun ausgeweinet,
Iſt allen Troſtes leer.

Was ſoll ſie hier auf Erden,
Kann wohnen ſie am See,
Wo nun des Todes Grauſen
Ihr bleibt und ew'ges Weh?
Sie ſtarret in die Tiefe/

„Das Haar hängt ihr hinab/

Der See ſcheint lauter Thränen,
Sie ſuchet ſich ein Grab.

Im kranken Wahne lächelt
Sie nun den Bruder an,

Sie meint, ſie wolle ſchiffen

Auf ſpiegelglatter Bahn.
Sie will zum Liebſten eilen
Schnell wie die Wolken ziehn/
Dünkt ſich auf leichtem Kahne,
Stürzt in den See dahin!

Wenn nun in Morgenlüften
Bei ſilberheller See
Ein Wimyel näher flattert,
Hört man der Klage Weh/
Und bald der Wolken Schatten
Das ufer decken ſchwer/
Wo Liebesſchmerzen fühlte
Das Mägdlein, ach, ſo ſehr!

DSIISIIIIeee
 
Annotationen