Charis.
Rheiniſche Morgenzeitung
uenn d
Bote vom Neckar
und Rhein.
Vereinigtes Unterhaltungsblatt fuͤr gebildete Leſer.
----
Mittwoch, den 17. Juli,
Ne 57.
*
1822.
Æ%·ḡ́⸗ꝗ”ꝰe&ÆC ÆÆ&eÆ —
Die Todesgefahr am Kellerſtübchen
und das Klyſtier auf dem Kutſchenbock.
Dragi⸗ komiſche Erzählung
aus dem Kriege der Franzoſen in Spanien.
I.
Mitternacht war bereits voruͤber, als ich einen
Freund verließ, der die Wache an der Puerta de
los embaxadores — dem Geſandtenthor — hatte;
um in mein ziemlich entferntes Quartier zu gehen.
Da ich des zu nehmenden Weges ſehr kundig,
und mir in dem weiten Madrid noch nie, weder
bei Tag noch bei Nacht, etwas Unangenehmes be-
gegnet war, ſo ſchlug ich die angebotene Begleitung
von zwei Soldaten dieſes Poſtens um ſo mehr be-
harrlich aus, als die armen Leute, durch haͤufiges
Patrouilliren ohnehin genug zu thun hatten. —
Ich wuͤnſchte daher nur widerholt gute Racht und
ging von dannen. ö
Todtenſtille herrſchte in den Straßen, nur hie
und da vernahm ich das leiſe Verhallen einer Gui-
tarre, die irgend ein Verliebter im verſchloſſenen
Kaͤmmerlein noch klimperte, oder ein gedehntes —
YSentinelle prenez-garde à vous!“ — von dem
weit entlegenen Retiro.
Hell, wie dies in Spanien meiſtens der Fall iſt,
funkelten die Sterne auf mich herunter, und mehr
als einmal, weilte mein Blick an dem Sternbilde
des Baͤren, das mir die Gegend, des teutſchen Va-
terlandes anzeigte, und mir tauſend Erinnerungen
in Gedanken voruͤberfuͤhrte.
Schon war ich bis auf die Entfernung weniger
Straßen in die Gegend meiner Wohnung gekom-
men, als beim Herumbiegen um eine Ecke, drei
rieſenhafte, halbbetrunkene Kerle aus einem nahen
Badegon — Trinkſtube unter dem Erdgeſchoß —
brachen; die ich ſogleich an der Sprache fuͤr Gal⸗—
legos — Gallizier — ihres Handwerks Waſſer-
traͤger, erkannte.
Aber eben dieſe Sprache, oder vielmehr der In-
halt des Geſpraͤches, war es, der mich jezt ſchauer-
lich aus meinen ſtillen Betrachtungen weckte.
Eine vor Kurzem in dem Badegon geweſene
Patrouille, mußte den Trinkern ziemlich unſanft
Feierabend geboten haben; — denn dieſe ſchwuren, den
erſten beſten Franzoſen, der ihnen aufſtoßen wuͤrde,
ohne Weiteres niederzuſtechen. — Leider hatten ſie
auch mich ſchon bemerkt, und ſchienen ſich, wie mir
nicht entging, auf den ſaubern Empfang vorzu-
bereiten. —
An meine Rettung durch Flucht war nicht zu
denken, ein ſolcher Verſuch wuͤrde mein unausbleib-
liches Verderben nach ſich gezogen haben; denn ich
kenne die Behendigkeit dieſer Menſchenklaſſe.
Da gab mir mein Genius einen andern Gedan-
ken ein. — Die linke Hand unter dem Degen-
griffe, und die Klinge einige Zoll aus der Scheide
heraufdruͤckend, um ſchlimmſtenfalls mein Leben ſo
theuer als moͤglich zu verkaufen, trat ich den Bur-
ſchen eben nicht raſch, doch ruhig entgegen und re-
dete ſie, als ich nahe genug gekommen war, folgen-
dermaßen an: „Cavalleros! — ſprach ich mit
gaskogniſcher Unverſchaͤmtheit und ſpaniſcher Gran-
dezza zugleich — ich werde keine Fehlbitte thun,
wenn ich mich an Ihre Großmuth wende. — Ich
Rheiniſche Morgenzeitung
uenn d
Bote vom Neckar
und Rhein.
Vereinigtes Unterhaltungsblatt fuͤr gebildete Leſer.
----
Mittwoch, den 17. Juli,
Ne 57.
*
1822.
Æ%·ḡ́⸗ꝗ”ꝰe&ÆC ÆÆ&eÆ —
Die Todesgefahr am Kellerſtübchen
und das Klyſtier auf dem Kutſchenbock.
Dragi⸗ komiſche Erzählung
aus dem Kriege der Franzoſen in Spanien.
I.
Mitternacht war bereits voruͤber, als ich einen
Freund verließ, der die Wache an der Puerta de
los embaxadores — dem Geſandtenthor — hatte;
um in mein ziemlich entferntes Quartier zu gehen.
Da ich des zu nehmenden Weges ſehr kundig,
und mir in dem weiten Madrid noch nie, weder
bei Tag noch bei Nacht, etwas Unangenehmes be-
gegnet war, ſo ſchlug ich die angebotene Begleitung
von zwei Soldaten dieſes Poſtens um ſo mehr be-
harrlich aus, als die armen Leute, durch haͤufiges
Patrouilliren ohnehin genug zu thun hatten. —
Ich wuͤnſchte daher nur widerholt gute Racht und
ging von dannen. ö
Todtenſtille herrſchte in den Straßen, nur hie
und da vernahm ich das leiſe Verhallen einer Gui-
tarre, die irgend ein Verliebter im verſchloſſenen
Kaͤmmerlein noch klimperte, oder ein gedehntes —
YSentinelle prenez-garde à vous!“ — von dem
weit entlegenen Retiro.
Hell, wie dies in Spanien meiſtens der Fall iſt,
funkelten die Sterne auf mich herunter, und mehr
als einmal, weilte mein Blick an dem Sternbilde
des Baͤren, das mir die Gegend, des teutſchen Va-
terlandes anzeigte, und mir tauſend Erinnerungen
in Gedanken voruͤberfuͤhrte.
Schon war ich bis auf die Entfernung weniger
Straßen in die Gegend meiner Wohnung gekom-
men, als beim Herumbiegen um eine Ecke, drei
rieſenhafte, halbbetrunkene Kerle aus einem nahen
Badegon — Trinkſtube unter dem Erdgeſchoß —
brachen; die ich ſogleich an der Sprache fuͤr Gal⸗—
legos — Gallizier — ihres Handwerks Waſſer-
traͤger, erkannte.
Aber eben dieſe Sprache, oder vielmehr der In-
halt des Geſpraͤches, war es, der mich jezt ſchauer-
lich aus meinen ſtillen Betrachtungen weckte.
Eine vor Kurzem in dem Badegon geweſene
Patrouille, mußte den Trinkern ziemlich unſanft
Feierabend geboten haben; — denn dieſe ſchwuren, den
erſten beſten Franzoſen, der ihnen aufſtoßen wuͤrde,
ohne Weiteres niederzuſtechen. — Leider hatten ſie
auch mich ſchon bemerkt, und ſchienen ſich, wie mir
nicht entging, auf den ſaubern Empfang vorzu-
bereiten. —
An meine Rettung durch Flucht war nicht zu
denken, ein ſolcher Verſuch wuͤrde mein unausbleib-
liches Verderben nach ſich gezogen haben; denn ich
kenne die Behendigkeit dieſer Menſchenklaſſe.
Da gab mir mein Genius einen andern Gedan-
ken ein. — Die linke Hand unter dem Degen-
griffe, und die Klinge einige Zoll aus der Scheide
heraufdruͤckend, um ſchlimmſtenfalls mein Leben ſo
theuer als moͤglich zu verkaufen, trat ich den Bur-
ſchen eben nicht raſch, doch ruhig entgegen und re-
dete ſie, als ich nahe genug gekommen war, folgen-
dermaßen an: „Cavalleros! — ſprach ich mit
gaskogniſcher Unverſchaͤmtheit und ſpaniſcher Gran-
dezza zugleich — ich werde keine Fehlbitte thun,
wenn ich mich an Ihre Großmuth wende. — Ich