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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (2) — 1822

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No 27-34 (April 1822)
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(Charis.

Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

““--“---&
NL 33.

III

X— -

Des jungen Eſſer Ritterfahrt.

Eine biſtoriſche Novelle von La Motte Fouqué.

Fortſetzung.

5•
Um eben dieſe Zeit ſtand der kuͤhne Eſſer im leich-
ten prachtvollen Turnierharniſch vor dem Thore von
Liſſabon, klopfte laut an die Pforte, und rief in
ſpaniſcher Sprache: „Hervor trete der Gubernator
dieſer Stadt, und beweiſe im ehrbaren Zweikampf
mit gleichen Waffen das Recht ſeines Monarchen an
Liſſabon und Portugall! Ich dagegen will ihm auf
gleiche ritterliche Weiſe kund geben, es gebuͤhre mei-
ner erhabnen Herrin, dieſen Streit als holde Rich-
terin zu entſcheiden, und Stadt und Thron demje-
nigen zu verleihen, den ihre weltgeprieſene Weis-
heit deſſen am wuͤrdigſten haͤlt. Herab, du edler
kaſtiliſcher Ritter! Herab! Hier ſteht der Kaͤm—
pfer der jungfraͤulichen Koͤnigin, der Perle Euro-
pa's, der Huld und Weisheit ſtrahlenden Sonne
dieſes Jahrhunderts!“ —
Er winktie ſeinen weiterhinſtehenden Trompetern
und ſie erhuben eine Fanfare voll froͤhlich ausfor-
dernden Jubels. Dann ſchwiegen die Blaſenden,
und ſchwieg ihr Ritter, eine Antwort aus der Stadt
erwartend. Stolz lehnte ſich Eſſex auf ſein gezuͤck-
tes Schwert, und ſah gluͤhenden Auges nach den
Zinnen empor. Doch Alles blieb ſtumm. Als ſey
draußen nichts Neues vorgefallen, ſchritten die ſpa-
niſchen Schildwachen gewohnten Ganges den Mauer-
wall feierlich hin und wieder. Zum zweitenmale,
— zum drittenmale wiederholte ſich Ruf und Trom-
petenklang. Achtlos blieb droben Alles und ſtill.

Mittwoch, den 24. April

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C&Æ&e

1822.

Da rief endlich Eſſex zuͤrnend hinauf: „So hab' ich
denn das Anrecht meiner koͤniglichen Dame ehrſam
behauptet, da es hinreicht, die ſonſt doch muthigen
Arme kaſtiliſcher Ritter zu laͤhmen. Gehabt Euch
wohl in Eurer Sicherheit! Als Sieger gehe ich
von hinnen! Hoch ſtrahle auf immer der Name,
der an meines Schwertes Statt dieſen Sieg errang!
Hoch lebe Koͤnigin Eliſabeth von England!“ —
Und langſam ging er zuruͤck, noch oft den ſtolzen
Nacken, wie fragend, nach der Stadt zuruͤckgewen-
det, und ſeine Trompeter blieſen vor ihm her.

Als er in die Graͤnzen des Lagers eintrat, winkte
er dieſen zu ſchweigen und auseinanderzugehn, waͤh—
rend er ſeine Klinge mißmuthig in die Scheide fallen
ließ, vor ſich hin murmelnd: „Iſt denn auch ſelbſt
in Spaniern und Portugieſen der froͤhlichkuͤhne Geiſt
erſtorben, wovon ihre Maͤhrchen plaͤudern, und ihre
Lieder ſingen? So giebt es wohl auf der ganzen
Welt keine beſſern Leute mehr, als Koͤnigin Eliſa-
beths Raͤthe, die ihre Weisheit darin ſetzen, Thaten
wie Geldſummen zu berechnen, und zu fragen, wie
hoch ſich's rentiere! Pfui, uͤber ſolch eine Wirth-
ſchaft auf Erden!“ — Da ſang eine ſeltſam ſchril-
lende, aber doch nicht mißlautende Stimme folgen-
de Worte drein:

„Hei/ wie kann der Ritter ſchelteu/
Weil ein Staatsmann rechnen mag!
Aber Er auch läßt vergelten
Hoch ſich Wort und Klingenſchlag.

Soll'n wir's glauben, daß der Name,
Den du ausruf'ſt, dich entflammt?
Ja, wär's jugendliche Dame!
Ja, und nicht dem Thron entſtammt!
 
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