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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (2) — 1822

DOI Kapitel:
No 88-96 (November 1822)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22119#0489

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(Charis.
Rheiniſche Morgenzeitung

uen d

Bote vom Neckar und Rhein.

Vereinigtes Unterhaltungsblatt für gebildete Leſer.

Samstag, den 23. November,

No 94.

NNXN&

1822.

Unterhaltungen

einer Badegeſellſchaft.

Fortſetzung.

Hier ſind aber die acht Ecken zu uͤberwinden. Die
Steine muͤſſen, wie Ketten und Zaͤhne, in einan-
der greifen, und das iſt eine ſchwere Aufgabe.
Wenn ich aber bedenke, daß dieſer Tempel Gott
und der heiligen Jungfrau geweiht iſt, ſo faſſe ich
in ſeiner Beſtimmung den Muth, und vertraue,
daß uͤber den, welcher ſolches unternimmt, die
Kraft, das Wiſſen und der Geiſt von Oben kom-
men wird. Wie mag aber ich ſolche Erleuchtung
erwarten, da ich nicht zu dieſem Werke berufen
bin? — Wie ich euch ſage: wenn es mein Ge-
ſchaͤft waͤre, haͤtte ich wohl Muth und Entſchloſ-
ſenheit genug, zu glauben, daß mir die Mittel
nicht fehlen wuͤrden, ſolches Gewoͤlbe zu vollenden.
So aber habe ich noch an gar nichts gedacht, und
dennoch ſoll ich angeben, wie die Sache angegrif-
fen werden muß? Wenn ihr dieſes Werk daher

fertig haben wollt, ſo duͤrft ihr es nicht mit mir

allein verſuchen, ſondern ihr muͤßt die Koſten nicht
ſcheuen, und binnen Jahresfriſt an einem beſtimm-
tem Tage alle die beruͤhmteſten Bauküͤnſtler aus
Toskana, ganz Italien, Teutſchland, Frankreich
und andern Laͤndern zuſammen kommen laſſen.
Unter ſo vielen Meiſtern kann alsdann üͤberlegt
und geſtritten werden, und ihr moͤget demienigen
das Werk vertrauen, welcher die meiſte Einſicht
und den groͤßten Unternehmungs-Geiſt dafuͤr an

den Tag legt. Beſſern Rath zu geben als ſolchen,
vermag ich nicht.“ ö
Dieſer Antrag gefiel zwar den Vorſtehern uͤber
die Maaßen; dennoch aber wuͤnſchten ſie, daß ſich
Brunellesko in der Zwiſchenzeit-die Sache angele-
gen ſeyn laſſen, und ein Modell verfertigen wollte.
Darauf ſchien er ſich aber gar nicht einzulaſſen,
und verabſchiedete ſich von ihnen unter dem Vor-
wand, daß er Briefe erhalten, welche ihn noͤthig-
ten nach Rom zuruͤckzukehren. Die Vorſteher lieſ-
ſen ſich dadurch nicht abſchrecken, ſondern drangen
noch weiter in ihm, und foderten viele ſeiner
Freunde auf, ein Gleiches zu thun. Als er aber
ſtandhaft blieb, verſuchten ſie es durch ein Ge-
ſchenk an Geld, wodurch ſie ihn uͤbrigens eben ſo
wenig zum Wanken brachten.
Nach Rom zuruͤckgekehrt, hatte Brunellesko Tag
und Nacht keinen andern Gedanken, als dieſes
Werk, und bereitete Alles zur Ausfuͤhrung vor.
Er war der Ueberzeugung, daß niemand als er,
dem Unternehmen gewaͤchſen ſey, und hatte den

Antrag zu Berufung andrer Baukuͤnſtler nur da-
rum gethan, um ſie alle zu Zeugen ſeines großen

Geiſtes zu machen. Es verſtrich aber geraume
Zeit, bevor dieſelben aus allen Laͤndern zuſammen
kamen, wo die Florentiniſchen Kaufleute, auf er-
haltenem Befehl, viel Geld anwendeten, um die
erfahrenſten Maͤnner von den Fuͤrſten zu erhalten.
Erſt im Jahr 1420 kam die Verſammlung zu
Stande, bei welcher ſich dann auch Brunellesko
von Rom einſtellte.

Die Verſammlung fand in dem Bau ſelbſt
 
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