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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (2) — 1822

DOI Kapitel:
No 79-87 (Oktober 1822)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22119#0433

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(Cbharis.

N Hei niſche

Morgenzeitung

un d

Bote vom Neckar und Rhein.

Vereinigtes Unterhaltungsblatt fuͤr gebildete Leſer.

IIISISS

N'ꝰ 85. Mittwoch, den 23. Oktober, 1822.

oM arie.
Fortfetzung.

4
Den 22. Au gu ſt.
Guſtav! ich bin gluͤcklich, bin geliebt! — Geſtern
lag ſie in meinen Armen, an meinem Herzen, da
ſtammelte ſie, indem ſie errdthend ihr Haupt an
meine Bruſt legte „ich liebe dich,« Ein unnenn-
bares Entzuͤcken durchbebte mich, ein Lichtſtrahl
fiel in mein Herz, der alle meine Zweifel, all
meine Angſt augenblicklich verſcheuchte, der mir
den Punkt erleuchtete, der bisher dunkel in mei-
ner Seele lag. Dieſes Entzuͤcken, dieſes Gefuͤhl
bewog mich, den alt- adelichen Freiherrn, einem
bargerlichen Maͤdchen Herz und Hand anzubie-
ihen. — Was werden meine Verwandten dazu

ſagen? Einen Thoren, einen Sonderling werden

ſie mich ſchelten. Die hohen, vornehmen Damen
meiner Famile, werden ſpottend die Naſe ruͤm⸗
pfen. Gleichviel, ſie mogen uͤber mich lachen und
ſpotten. Niemand ſoll es wagen Marien, meine
Branut, nur durch ein Wort, nur durch eine
Miene zu kraͤnken.
legt'was ich thue, und brauche keinen Hofmeiſter.
Glucktich will ich in den Armen meiner liebenden
Ganin ſeyn. Keine von den gepuzten, geſchmink-
ten, verſchrobenen Stadifraͤuleins, kann mir ſeyn,
was Marie mir iſt, was Marie mir ewig bleiben
wird. — Jeder Zwang iſt mir, feit ich fi fie kenne,
zur Laſt, wie gerne moͤchte ich die fruͤher geknuͤpften

Ich bin Mann, habe uͤber-

lich-irdiſche Genuß ſeyn.
laſſen! Du wirſt fragen, was ſagt Marie dazu?

Verhaͤltniſſe, die mich hier an die ſogenannte haute
volée feſſeln, zerreißen. — Viktorie war verreißt,
ſeit geſtern aber zuruͤck, ließ ſie mich heute zu ſich
einladen. Wie gern ſchenkte ich ihr dieſe Hoͤflich-
keit, denn ſie iſt mir wahrlich mehr als laͤſtig.
Doch will ich ſie nicht beleidigen, ich habe ihre
Einladung angenommen, zuvor aber eilt in die
Arme ſeiner Marie
Dein
Adolf.

5.
Den 28. September.

O Guſtav! haͤtte ich nimmer Viktoriens Einla-
dung angenommen, eine Buhlerin hat mich um-

garnt, ihr Netz hat ſie feſt um mich geſchlungen,

aber ich will es zerreißen koͤſte es auch was es
wolle. Die Lilien iſt eine ausgelernte, feine,
durchtriebene Lais und doch gluͤhe ich fuͤr ſie! Gu-
ſtav, wirſt Du es wohl glauben koͤnnen, was in
einem Monat mit mir vorgieng? Wirſt Du mir
glauben, wenn ich Dir geſtehe, ich liebe Marien
und gluͤhe fuͤr Viktorien! — Ja, Marie liebe ich,
liebe ſie, wie man Engel liebt, aber in Viktoriens
himmliſchen Reitzen, in ihrer anmuthigen Unter-
haltung, ſelig zu ſchwelgen, muß der hoͤchſte ſinn-
Wie ſoll ich von ihr

Ach, die ſanfte, holde Srele, weiß von allem,
was in mir vorgeht, nichts; ſie ahnet mein Ver-

haͤltniß mit Viktorien nicht. — Oft ſchwebte mir,

wenn ſie ſo himmliſch gut an meiner Seite ſaß,
 
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