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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (2) — 1822

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No 18-26 (März 1822)
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Chatis.

Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

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Ne 25.

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Mittwoch, den 27. Mærz

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1822.



Die zweite Hochzeit. Romanze, von Ludwig Achim von Arnim.

5 Auf, Jäger, löst die Koppelhunde!
„Ins Horn, ins Horn, ins Jägerhorn!
Wir fahren mit der Sonne Runde,
3Die Roſſe führt der blanke Sporn.
„Die Stände wollen: daß ich führe
„» Ein Weibchen in mein Grafenhaus;
„Verloren ſind die Jagdreviere
„»Im Paradies, beim Weiberſchmaus.
v Die Weiber ſind der Schö pfung Reige/
»Zum Spiele nur ſind ſie ſo zart!
»Friſch auf, Geſellen! durch die Zweige,
0 Schon ſaust der Wind um meinen Bart,

So rief der Graf zu den Geſellen,
Und ſchnell ſind ſie wie Wind verweht/
Sein Roß bleibt ſtehn bei kühlen Quellen,
Wo Ida mit dem Eimer geht.

Er war nicht feind dem rothen Mädchen/
Er brach mit mancher Frage Bahn.
5Wer biſt du?“ „Eines Fiſchers Mädchen,
„Dem gnäd'gen Grafen unterthan.

So ſpricht ſie; giebt den Trunk dem Grafen.
v„ Aus deinem Eimer trinkt ſich's gut/
» Doch deiner Blicke Pfeile trafen
„Mich aus der Quelle friſchem Blut.

So ſagt er, und weiß ſchnell zu faſſen
Der Heirath wichtigen Entſchluß;
Eh' er noch hat das Dorf verlaſſen,
Verlanget er den Ehekuß.

Die Jungfrau ſprach: „Ich bin ergeben,
„Dem Willen meines gnäd'gen Herrn,
„Will er den Leib, will er mein Leben?
„ Denn gern gehört die Magd dem Herrn.
Er wirbt um ſie beim alten Fiſcher,
Und zweifelnd ſagt der alte Mann:
„In Vorrath fügt den Sarg der Tiſcher,
„Weiß nicht, daß er drin liegen kann.

„Und Euer Bett war aufgeſchlagen,
„Und niemand rieth für eine Magd;
5„Ich darf nicht abzuſchlagen wagen,
„Wenn meinem Herrn das Kind behagt.
Zur Stadt ritt ſie auf weißem Pferde,
Das goldne Ringlein an der Hand,
Es lief ihr nach der Lämmer Herde,
Die liebten ſie, wie bald das Land.
Das Jagdgehege ward nun enger,
Zwölf kurze Spannen mißt das Bett,
Dem Weibchen wird es bald noch enger;
Ein Fräulein bringt das Kindesbett.
Doch immer ſagten ſeine Brüder:
„Die Sklaͤvenehe ſey nicht feſt.“
Er ſah, die Herrſchaft gehe über
Zu ihnen, eh' er noch verwest.)
Das kränkte tief den muntern Grafen,
Und, um zu flieh'n der Brüder Spott/
Die ihn mit ihrem Jagdwitz trafen —
Als ſey er abgefall'n von Gott —
Verſchwor er ſich, der höchſten Probe

Das liebe Weib zu unterzieh'n/
Damit ein Zeder hoch ſie lobe,

Und ihre Spötter ſchamroth flieh'n.
„Gut- ſprach ein Brudernimm ihr morgen
„Gieb mir ihr erſgebornes Kind;
»Och will für die Erziehung ſorgen,
*Nimm auch das zweite liebe Kind.
»Dann ſage ihr, daß eine Andre
„Begehre dein, aus hohem Blut,
„Daß ſie aus deinem Schloſſe wandre/
„Und ſieh, ob ihre Wuth dann ruht.
„Beſteht ſie dieſe harte Probe,
„Sieh, dann erkennen wir den Sohn
„ Als Graf, und andrer Adelsprobe

„Mein Ehrenwort kann ich nicht brechen —
Spricht zornig unſer Graf — doch wart'

„Sie ſoll ſich auch an dir einſt rächen:

„Die Probe der Geduld iſt hart.“
Mit Demuth gab ſie ihre Kleine
Dem Manne, der es ihr befahl,
Und barg, daß ſie noch um ſie weine.
Der Graf ſchien kalt und hart wie Stahl.

Er ſagt, daß von der Magd die Kinder

Nicht kämen auf den Grafenthron.
Beim zweiten Kinde nicht gelinder
Nahm er ihr einen lieben Sohn.
Sie wurden beide wohl erzogen
In jeder chriſtlich feinen Kunſt;
Sie wurden ſelbſt dabei betrogen,
Man zog ſie wie aus freier Gunſt.
Sie wurden groß in Fleiß und Demuth,
Die Fürſtenkinder ſind ſonſt ſtolz /
Die Mutter, krank in ſtiller Wehmuth,
In Thränen heimlich faſt zerſchmolz.
Der Graf ſprach einſt ſehr kalt die Bitte,
Nach dreizebnjähr'gem Eheglück:

„Zieh nun nach deines Vaters Hütte

„Mit deinem Brautſchatz ſtill zurück.
„Die Gräfin habe ich gefunden,
„Und deine Abkunft thut mir weh;
„Zieh fort und aller Qual entbunden/
„Erfreu' ich mich in rechter Eh'.
Sie nahm nicht Schatz/ nicht Goldgepränge,
Still legt' ſie ab das goldne Kleid,
Sie gab ſich Preis dem Spott der Menge,
Die Allen lieb/ thut Allen leid.
Zu Fuß kam ſie vor ihre Hütte,
Der blinde Vater ſaß davor,
Er ſaß in ſeiner Enkel Mitte:

„Sprech' ich mit meinem Schwerte Hohn.“ Sie rief ihr Schickſal ihm ins Ohr.
 
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