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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (2) — 1822

DOI Kapitel:
No 53-61 (Juli 1822)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22119#0273

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—..

Charis.

Aheiniſche Morgenzeitung

uen d

ote vom

Neckar

und Rhein.

Vereinigtes Unterhaltungsblatt fuͤFr gebildete Leſer.

ö̃CSCSC“-------

42 „
N 56. Samstag,
. mm ——
Prinzeßchen Eufroſine
i m geläſern en Berg
Heſſiſches Kindermährchen.

Beſch un 6.

Froſinchen aber, ſo lange dem Tageslicht entwoͤhnt,
ſtand wie geblendet von der Sonne, die auf die
blanke Seite des Glasbergs ſchien — ehe es Alles
umher erblickte. Eine weite gruͤne Ebene, die nach
der einen Seite hin, von waldbewachſenen Huͤgeln
enge umguͤrter, zu einem friſchen anmuthigen Thale
zuſammen lief, dehnte ſich außerhalb des Berges
bis zu dem blaͤulich gezackten Gebirge aus. Noch
waͤhrend Froſinchen hier ſaß und durch die Glas-
wand in die Gegend draͤußen hineinſchaute, und
gruͤner wie je das Gras, undͤ blauer der Himmel ihr
erſchien, kam eine Karoſſe mit Sammt und golde-
nen Borden ausgeſchlagen und mit vier Pferden be-
ſpannt im Galopp uͤber die Wieſe hergefahren und
hielt vor ihm an. Wie nun die Kutſche daſtand mit
den vier praͤchtigen wilden Pferden, ſtieß einer der
Diener in ſein Horn, daß es einen ſo hellen ſtar-
ken Klang gab, von dem die Wand des Glasbergs
mit lautem Toͤnen einen Riß bekam, daß Froſinchen

durchgehen konnte und dann ſich eben ſo auf den

Schall des Hornes wieder ſchloß.
Die Diener ſprangen herab, um es hineinzuſetzen,
aber drinnen, wie erſtaunte es, ſaß die Ziege und
meckerte wie ſie es ſah, und das Voͤgelchen flog auf
ſine Hand. „Guten Tag, Froſinchen! — ſpra-

chen beide — Ei! wie laͤnge biſt du in dem Berg

geweſen, gar gar drei Jahr — und biſt nicht ge-

er eben zum Tanze aufgefordert hatte,

den 13. Juli, 1822.
wachſen! nun wirſt du groß auf einmal — an der

Luft, an dem Sonnenſtrahl werden!“ und ſo war
es auch; denn Froſinchen wuchs nun zufehends in
einem Tage ſo viel, wie in der ganzen vergange-
nen Zeit. Der Vogel aber nahm das Blatt, das
die Zwerge geſchrieben-hatten, in den Schnabel und
flog damit weg, und gerade fort, immer fort, bis
ins Schloß; da ſtand des Grafen Fenſter auf und
er flog hinein und verſteckte es unter dem Kopfkiſ-

ſen. Froſinchen aber weinte, als es nun Abend

wurde und Nacht und der Vogel nicht zuruͤckkam.
Da ſprach die Ziege: „Froſinchen, fuͤrchte dich
nur nicht, es iſt zu deinem Gluͤck. — Morgen iſt
Hochzeit und dazu ſind wir auch geladen — mor-
gen Abend kommen wir aufs Schioß — und hier
in der Karoſſe habe ich dir ſchoͤne Kleider mirge-

bracht; die ziehe nun an, damit du bei dem Feſte

erſcheinen kannſt.“ — Wie es nun fertig war da-
mit, war es ſo herrlich und ſo ſchoͤn gepuzt, wie
kaum die Prinzeß im Lande, in dem Augenblick
hielt auch der Kutſcher an, und es ſtieg aus in dem
Schloſſe, deſſen Fenſter alle, von hundert und aber-
mal hundert Kerzen und Lichtern erhellt; flimmer-
ten; und wie es die br ite Treppe hinauf ging, die
voller Leute ſtand, fragten ſie ſich, wer mag nur
die ſchoͤne Prinzeß ſeyn, ſie iſt doch die Sch onſte von
Allen im ganzen Saal. Der Prinz Groriani aber,
wie es eingetreten war, ließ ſeine Braut ſtehen, die
und ging
ihm entgegen, und der Graf, dem eben ſein Traum
einfiel, denn er hatte alles geträͤnmt, was die Zwerge ö
aufgeſchrieben hatten, daß Froſiuchen ſeine rechts
 
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