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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (2) — 1822

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Beilage No 38 (November 1822)
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Beilage

ur Charis und zum Boten vom Neckar und Rhein.

TTTTTTTTTTT III

Samstag, den 30. November,

Ne 38.

SSꝗSSSSSSDSDSDSDSe*

1822.

ᷓISS ᷓSRSSSRRR “

Korreſpondenz-Nachrichten.

Darmſtadt, den 26. Oktober, 1822.

Beſch hu ſß.
Die Rolle dieſes leztern, obgleich etwas ſchwierig, konnte
durch Herrn Grüner vollkommen gelöst werden. Warum
war dies aber nur theilweiſe der Fall? Die Rede im erſten
Akte, die doch eben die ſchwerſte nicht iſt, und von der ich
mir eine recht große Erwartung machte, ſprach er ſo leiſe,
daß man ihn kaum verſtehen konnte. Und nicht ſelten erhe-
ben ſich Klagen über ſein zu ſtarkes Organ, warum gerade
hier eine ſo unkluge Mäßigung? Auch ſchien mir das rechte
Gefühl des bewegten Vaters zu mangeln, ob ſich gleich von
Gefühl und Nichtgefühl hier nichts unterſcheiden ließ, wohl
aber von Verſtehen und Nichtverſtehen. Mit welchem Kon-
traſt gab er dagegen die ſchon erwähnte Szene mit Roderich
im zweiten Akte, die durchaus vollendet war.

Wie wahrhaft groß war ſein Abgang im vierten Akte, beim
Ueberbringen der Nachricht von Roderichs Empörung. Und
wie erſchütternd war ſein Hinknieen vor dem Sohne, ſeine
Erkenntniß der unabänderlichen Allmacht Gottes. Es wäre
wünſchenswerth zu wiſſen, wie Herrn Grüners Spiel ſo ſehr
widerſtreitend ſeyn konnte.
Dem. Meyer als Roſaura bekundete neuerdings die vorzüg-
liche Künſtlerin. Alles Schöne und beſonders Gelungene
ihrer Rolle auszuheben, würde eben ſo beſchwerlich, als un-
genügeud ſeyn, zu tadeln iſt nichts, als ein ſtörendes Sinken
der Stimme, vorzüglich am Schluſſe der Verſe. Unvergleich-
lich ſprach ſie die Szene im 4. Akt mit Clotald. Warum
dieſe Szene, ſtatt, wie im Original, nach jener zu folgen,
worin Clotald die Nachricht von Roderichs Empörung dem
Könige bringt, vor dieſer kommt, und Clotald auf dieſe Weiſe
mit Flügeln von dem Gefängniß des Roderich an dem Hof
des Königs erſcheint, dann wieder abgeht und zulezt noch ſeine
äußerſt wichtige Botſchaft bringt, iſt mir unbegreiflich. Zu
ällgemeiner Zufriedenheit, und mit großem Beifall gekrönt
war die Szene des 5. Akts mit Roderich. An dieſer Rede
mag ſchon manche Künſtlerin geſcheitert ſeyn, Dem. Meyer
aber hat ſie höchſt glücklich überſtanden. Die Rolle der Eſtrella
war an Dem. Grüner gekommen. Obzwar größtentheils ihr
Spiel gelungen zu nennen iſt, ſo ſchien mir doch, als wüßte
ſie den ſpaniſchen Stolz nicht ganz genau zu treffen. Bei
Beſichrigung von Roſaura's Bild, das ſie von Afölf erhält,

ſpricht ſie die Worte: „Fürwahr, recht artig!“ verächtlich
aus, was ſich mit dem Stolze einer Spanierin nicht verträgt.
Vielmehr haätte ſie in dieſe Worte eine bedeutende Würde legen
ſollen. Im übrigen aber war ſie ihrer Nolle Meiſter, und
führte ſie lobenswerth durch. Man hat hin und wieder die
Eſtrella für eine Nebenperſon gehalten; mir aber dünkt, als
hätten dieſe Kritiker das ganze Werk nicht aufmerkſam gele-
ſen, oder nicht verſtanden. Sie iſt im Gegenſatze zu Roſau-
ren eine Hauptperſon. Roderichs Liebe zu ihr iſt von einer
weit erhabneren Art, als ſeine unlautere Leidenſchaft zu Ro-
ſauren. Daß Calderon die Eſtrella in dieſer Abſicht bearbei-
tete, liegt außer Zweifel. Will man einwenden, daß ihre
Rolle zu unbedeutend ſey, ſie ſelbſt zu wenig Einfluß auf
Roderich zeige, ſo iſt zu entgegnen, daß in dem Herzen dieſes
Halbmenſchen, die Leidenſchaft in blinden Flammen lodert,
während das heilige Feuer der reinen, wahren Liebe, noch im
Hintergrunde ſchlummert, bis er zulezt ſeines beſſeren Ich's
ganz Herr wird, und nun auch freudig Eſtrella'n ſeine Hand
reicht. Dem Herrn Thym, der die Rolle des Aſtolf hatte,
möchte ich blos mehr Lebendigkeit und Ungebundenheit im
Spiel empfehlen. Herr Zahrt als Clotald war dieſesmal
recht gut. Den Grazioſo Clarin gab Hr. Fiſcher. Er wird
keinen unbefriedigt gelaſſen haben. Furcht, Laune und Drei-
ſtigkeit wechſeln in ſeinem Spiel, ja in jeder Bewegung aufs
anmuthigſte mit einander. Calderon ſelbſt könnte kaum wün-
ſchen, ſeinen Clarin beſſer gegeben zu ſehen. Auch war das
Koſtüm des Herrn Fiſcher paſſender als jedes andere. Eine
ſehr gute Anordnung war, daß die untergeordneten Rollen
von guten Subiekten beſezt waren, und ſo zum Ganzen paſ-
ſend erſchienen.

Den 22. Oktbr.: „Standesproben“ in 3 Akten, von
Babo.

Den 25. Oktbr.: „Dienſtpflicht“ von Iffland. Im
Ganzen genommen eine vorzügliche Darſtellung. Hr. Fiſcher
als Fürſt iſt unübertrefßich; Hr. Becker behandelt den Sekretär
Dallner mit vielem Fleiße. Herr Zahrt giebt den Kriegsrath
Dallner zu voller Zufriedenheit, es iſt eine ſeiner beſten Lei-
ſtungen. Ohne Gleichen iſt Herr Steck als Fallbring; der
heuchleriſche Böſewicht, der ſich nur im Monolog verräth,
gelingt dieſem würdigen Künſtler vortrefflich. Ebenſo Herr
Fuchs als Jude Baruch, ohne Uebertreibnng ganz Natur.
Herr Thym, Juſtizrath Liſter, Mad. Hähnle, Hofräthin Roſen
gaben ſich ſehr viele Mühe und nicht ohne Erfolg.

G. G. G.
 
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