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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (2) — 1822

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No 1-9 (Januar 1822)
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Charis.

Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

— —————

Ne 4.

—— ——

Habſucht und Liebe.

Beſchluß.

„Nun fuhr der Verſucher fort — ich bin Notar;
„wenn Sie nur einige, bei Lebzeiten Ihres Bru-
»ders, ausgeſtellte JQuittungen, uͤber die Ruͤckzah-
»lung der vorzuͤglichſten Kapitalien vorzeigten —
»die Hypotheken loͤſchen ließen und die Haͤuſer als
„ſchuldenfrei verkauften? Vielleicht kuͤndigt in
„Jahren kein Glaͤubiger, fordert nicht einmal die
„Zinſen ein, und wer weiß dann noch, bei dem
„großen Gewirr, weſſen Hand im Spiele war.“
Bei der, in einer Handelsſtadt herrſchenden
Rechtlichkeit, bei dem unbegraͤnzten Vertrauen auf
ein Wort, ließ ſich allerdings der Plan ausfuͤhren,
ohne daß vielleicht in Jahren Jemand die Faͤlſchung
merkte; aber von Jugend auf an kaufmaͤnniſche
Soliditaͤt gewoͤhnt, verabſcheuete Frohberg die Aus-
fuͤhrung des Raths und verließ den lockenden Ver-
ſucher.
Run quaͤlten ihn aufs neue die wunderlichſten
Plaͤne, wie er ſich der Schulden ſeines Bruders
entledigen und ein großes reines Ver moͤgen an ſich
ziehen könne, Tag und Nacht; aber nur in dem
Rath des gewiſſenloſen Rechtsgelehrten fand er das
Mittel zur Ausfuͤhrung. Wachend und traͤumend
kaͤmpfte Rechtlichkeit mit Betruͤgerei und endlich
trug die Hoͤlle den Sieg davon.
Eine große Summe Geldes bewog den Notar,
zur Ausſtellung der falſchen Quittungen — die Loͤ—
ſchung erfolgte und der Verkauf der Haͤuſer gab ei-
nen ſehr anſehnlichen Gewinn.
Ohne Ahnung des Vorgegangenen, verlebten
Eduard und Julie ihre Tage in harmloſer Freude.

Samstag, den 12. Januar

&

A ee

1822.

I “““n

Ihm war in wenigen Monaten Befoͤrderung gewiß,
und dann ſollte Hymen ſein Roſenband um die
Gluͤcklichen ſchlingen. — Selbſt der alte Major
lebte — nach ſeinen eigenen Worten — gluͤcklich
wie ein Koͤnig; denn ſaͤmtliche Lehnsſchulden waren
bezahlt; als unerwartet einer der, auf die ererbten
Haͤuſer, eingeſchriebenen Glaͤubiger, ſeine Forderung
einem Andern uͤbertrug.
Der neue Glaͤubiger hielt eine Umſchreibung fuͤr
noͤthig, und wandte ſich mit dieſem Verlangen an
die ͤffentliche Behoͤrde.
Mit Schrecken erfuhr er die Loͤſchung, da er aber
von dem Stadtſchreiber, welcher ſich ihrer noch erin-
nerte, erfuhr, daß Frohberg auf den Grund einer
Quittung, die er ihm im feſten Glauben an ſeine
Rechtlichkeit nicht abgenommen, ſie bewirkt habe,
trat er mit einer peinlichen Anklaͤͤge gegen ihn auf.
Man verſicherte ſich der Perſon Frohbergs durch
eine in ſein Haus geſchickte Wache, und in der Be-
ſtuͤrzung uͤber dieſe hoͤchſt unerwartete Maasregel,
vergaß er ider ihm eingegebenen Ausfluͤchte, die
Quittungen unter ſeines Bruders Papieren vorge-
funden zu haben, ſund geſtand in Gewiſſensangſt
ſein Verbrechen, unter Erbirtung der vollſtaͤndigſten
Wiedererſtattung.
Bei dieſer Nachricht ſuchte der Advokat zu entflie-

hen; doch ſein Vorhaben mißlang und im Stadtge-

faͤngniſſe vollzog er an ſich ſelbſt die Strafe die ſei-
ner wartete.
Frohbergs Prozeß ging bald zu Ende. — Sein
Urtheil war eine zweijaͤhrige Zuchthausſtrafe nebſt
Erſatz des Schaͤdens und aller Koſten.
Leichter fuͤgte er ſich in ſein Schickſal, als Julie
und Eduard dieſen harten Schlag ertrugen. Auch
 
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