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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 1
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Der Graphiksammler
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0048

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weifen, fo wird es fogar waprfcbeinlicb, daß pe urfprünglid) als Pendants entworfen wurden. Damit iß
natürlich nicht gefagt, daß das Bapnenwappen der Londoner 3eid)nung mit dem der Qimmelzunft
irgendwie zufainmenbängen muß. Beide Blätter wurden waprfcbeinlicb mit leerem Klappenfcbilde
entworfen; der Bahn ift erß fpäter mit Koble bineinfkizziert. (Bei der gleichen Gelegenheit nahm
man übrigens eine Korrektur an der Fjaube der Sdjildbalterin vor.) Die drei übereinander-
[lebenden Schildchen der Fjimmelzunft pnd aber offenbar aus einem Guß mit der übrigen 3eid>-
nung entßanden und zwar wird der Kopiß entweder nad) der noch nicht mit einem Klappen ver-
febenen Vorlage gearbeitet haben oder das, etwa auch mit Kohle hineingezeichnete Klappen ein-
fach feinem Auftrag gemäß abgeändert haben. Die erße von diefen Möglichkeiten fcbeint mir die
wahrfcheinlichere, da die Baube auf der Kopie die urfprünglicbe breite Form aufweift und da doch wohl
auch das zweite Original an diefer Stelle korrigiert wurde, diefe Korrektur aber wohl von dem Kopißen
übernommen worden wäre. Übrigens pnd die Klafferzeichen in den beiden Papieren zwar ver-
wandt, aber nicht identifch. Das Londoner Blatt weiß einen (auf E. S. paffenden) kleinen Ocpfen-
kopf mit Stirnkreis, Stange und Stern auf (genau Briquet 15109), das Bafeler einen etwas größeren
Ocbfenkopf, doch ohne Stirnkreis. Klann nun auch die Kopie gemacht wurde, für eine rein zeiep-
nerifche Beßimmung iß pe nicht brauchbar und im Gegenftändlicben bietet pe keine wefentlidbe
Bereicherung gegenüber dem Londoner Original.
Um nun zur Begründung der einleitend behaupteten, engen Verwandtfdjaft zwifepen dem Scheibenriß
und den Klerken von E. S. überzugehen, dürfte es das Richtige fein, vorerß die formal fcpwächßeri
3üge zu behandeln, die uns auf der3eicpnung entgegentreten. Das pnd entfepieden das unklare,
ja eigentlich verfehlte Sipmotiv und die ßeife, puppenhafte Bewegung der Figur. Vergleicht man
nun aber damit etwa die Margareta oder Katharina des großen Bortus Conclusus L. 83, die Ma-
donna mit dem fpielenden Beilandskind in dem Garten L. 69, und etwa noch die Darßellungen
von Johannes auf Patmos L. 151, 100, 150, fo pebt man, daß bei allen diefen aus den drei Schaf-
fensperioden des Meißers ftammenden Figuren, die ähnlich der Scbildbalterin auf dem Boden
ptjend gedacht pnd, eine ebenfolcbe, unter fcpwerem Faltenwurf verfteckte Unklarheit berrfebt.
Ä\an pndet auch auf diefen und anderen Stichen durchaus das gleiche Bervortreten einer Fuß-
oder Scbnabelfcbubfpihe. Die ßeife Bewegung fowie die geneigte Kopfhaltung pnd auch abfolut
in der Art vonE.S.; man denke bloß etwa an L. 211, 214 ufw. Die Gepchtszüge erinnern ebenfalls
fofort an die herberen Cypen des Meifters; für das auffallend breite Gepcbtsoval vergleiche man u. a. die
Madonna der Verkündigung L. 12; für die lange gerade Nafe und den fcbmoilenden Mund die
Sibylle L. 192. Überaus charakterißifch iß ferner noch das nach oben gewölbte untere Augenlid,
für das Geisberg mit dem Sebaftiansßicb L. 37 der mittleren Periode eine Grenze pndet und das
uns u. a. auf der Berliner Segnung von dem Mädchen mit dem Ring fo klar entgegentritt. Klie
die Pupille als fcpwarzer Punkt inmitten eines Kreiscpens gegeben iß, entfpriept übrigens auch
der E. S.fcben Gepßogenheit. Die Berliner 3eid)nung dient noch gut zum Vergleich des »röhren-
artigen“ Fjalfes. Es braucht kaum einer befonderen Erwähnung, daß fowobl die gebundene Qaar-
traept der Londoner 3eid)nung wie auch die geßoebtene der Bafeler bei E. S. immer und immer
wiederkehren, ebenfo die überlangen, fcpmalen Bände. Ein direkt identifepes Koßüm kenne ich
in den Stichen zwar nicpt, aber man beobachtet im Gürtelgehänge und in den Spangen der Schild-
palterin das gleiche Intereffe für die Goldfcbmiedekunß, die u. a. in der Agraffe des Kaifers Auguftus
L. 192 zum Ausdruck kommt. In der großen Geburt L. 23 und dem Bortus Conclusus L. 83 pndet
man reßlos befriedigende Belege für den Cypus des Faltenwurfes, (dem mit Klorten nicht eben
leicpt beizukommen iß); fpeziell für die Fältelung an den Ärmeln vergleiche man das Paffions-
wappen L.188. Die gleiche Modellierung der Brußpartie weiß der große Liebesgartenpicp L. 215
auf. üm nun diefe nüchterne Analyfe abzufcbließen, erwähne ich noch, daß auch die Gebirgs-
form pd) ähnlich auf L. 115, fowie auf 151, 87 ufw. pndet, daß die Blumen der Bekrönung (Korn-
blume und Cürkenbund) zu dem ßändigen Formenfcpafe des Meißers gehören (vgl. L. 32, 239 ufw.)
und fcpließlid), daß ein ähnliches Bahnenwappen auf dem Klappen-Sechs L. 276 des größeren
Kartenfpieles erfdjeint. Für das Borauswacpfen der naturalißifchen Blumen aus der mepr ßili-
perten Aßumrapmung hat man z. B. in dem Blatt mit der Krabbe und der Dißel L. 309 ein deut-
liches Analogon; für die Unterfchiedlichkeit der Bodenwiedergabe auf den beiden Scheibenriffen
findet man Ähnliches in der Apoftelfolge L. 112—123. Id) füge nod) hinzu, daß die Bafeler 3®id)nung
weitere Blumenarten und Kleeblätter (ohne Mittelßrich) aufweifen, die uns ebenfalls von den Stid)en
geläupg pnd.
Das Gefagte ergibt wohl einwandfrei eine tatfächlid) enge Verwandtfcpaft mit E. S.; es fragt
[ich nur nod), ob man berechtigt iß, den Meißer felber als 3eicpner zu betrachten. Von einer Cätig-
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