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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 2
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Schmidt, Werner: Die Frankenthaler Porzellansammlung des Heidelberger Kurpfälzischen Museums
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0088

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Modelleur an der Manufaktur war, ja überhaupt zu den heften an allen Manufakturen
im 18. Jahrhundert zu rechnen ift. Der Fjauptvorzug liegt bei ihm darin, daß feine
Ärbeiten völlig materialgerecht find. Kein tüunder alfo, wenn er in der Sammlung
reich vertreten ift. Die Koftümfiguren treten zurück, wir finden eine große Anzahl
Allegorien, befonders Putten, die die Jahreszeiten verfinnbildlichen, und vielfach Porträt-
büften und -reüefs in Biskuit, namentlich des Kurfürften Karl Cheodor und feiner
beiden Gemahlinnen. In diefem 3ufammenhang entftand auch von ihm die große
„Allegorie auf die Genefung des Kurfürften Karl Cheodor 1774“ (Fjofmann 412).
ttlenn fd)on herbei ein bedeutender Fortfehritt gegenüber den immer etwas auseinander-
fallenden Gruppen des J. Lanz zu den Seiten des Anfangs der Manufaktur feftzußellen
ift, fo wird dies noch augenfälliger bei der großen, fd)ön komponierten und modellierten
Gruppe „Meieagar und Atalante“ (Fjofmann 320) mit ihrem gleichmäßigen Aufbau und
ihren feingliedrigen, in den Bewegungen durchaus fid)eren Figuren.
Link reiht fleh würdig zur Seite Karl Gottlieb Lüde (1767 bis 1775), der nun wieder
das 3eitkoftüm bevorzugt. Glieder find es elegante Kavaliere mit Damen, oder die
luftige Jägerei wie bei Lanz, nunmehr aber mit völliger Beherrfd)ung der Ced)nik und
mit größter Bewegungsfreiheit. Von ihm ift auch der berühmte „Jäger aus Churpfalz“
gefchaffen worden (Fjofmann 424) (Äbb.).
Mit diefen lebendigen, farbenfrohen Szenen ift die Manufaktur aber auch auf ihrer
Ijöße angelangt. Cilas wir aus den Arbeiten der folgenden Jahre erkennen, ift ein,
allerdings durch die 3eit bedingter, zunehmender Ernft, der dem eigentlichen ülefen
der Porzellanplaftik aber fremd war. Die Schöpfungen von Adam Bauer (1775 bis 1778)
find vom Geifte des Klaffizismus erfüllt (Die Gelehrfamkeit, Fjofmann 559), feinen
Göttergeftalten (Amphitrite, Fjofmann 551) fehlt die natürliche 3iGdid)keit. Er vergröbert
Lücks Gedanken, ift derber und plumper.
Die Reihe der Modelleure wird befchloffen durch Johann Peter Melchior (1779 bis 1793),
noch einmal ein bedeutender Künftler, der bekanntlich die Fjöchfter Manufaktur zu Ruf
und Anfehen brachte. Er wählt wieder mit Vorliebe die fpielenden Kinder (z. B. Kinder
und der CBau-ödau, Fjofmann 577) und gibt andererfeits in der Bewegung lebendige
kleine Chinefengruppen (Chinefenfrau mit Kindern, Fjofmann 579). Es ift ein leßtes
Ausklingen des Rokoko.
ttlenn wir fo an Band der aufgeftellten Plaftik einen klaren Eindruck bekommen
von der Cätigkeit der Frankenthaler Fjauptmeifter, fo wird das Bild nod) weiter ab-
gerundet durch die verfd)iedenen Service. Da find einmal die Proben eines umfang-
reichen Eßfervices, bunte Fruchtmalerei in den mannigfaltigften Motiven, das der
Cradition nad) ein Gefchenk des Kurfürften Karl Cheodor an einen römifchen Kardinal
fein foll. Es kommen dazu die Service mit bunter Chinoiferiemalerei, die mit indiani-
fd)en Blumen, die mit bunten Genremalereien in holländifchem Gefchmack und die mit
Szenen in tüatteauart, abgefehen von all den kleinen Büchfen, Körbchen, Cellern, Ge-
würzfäßd)en und Eßbeftecken. Einer befonderen Erwähnung bedürfen nod) die Kannen,
die Johann Bernhard Magnus (1762 bis 1792) mit bunten Schlachtenfzenen dekoriert
hat. Diefe fignierten Kannen (BM. P. oder Magnus) gehören mit zu den wertvollften
Stücken der Sammlung (Abb.).
Droh aller Befdjränkung, die unbedingt nötig war, um nicht durd) überfüllte Vitrinen
ein allzu verwirrendes Bild zu fchaffen, gewinnen wir einen gefcßloffenen Überblick
über die große Leiftungsfähigkeit und den künftlerifdjen Ijochftand, über die Entwick-
lung von den Anfängen bis zum Ausgang diefer leider nur kurzlebigen Manufaktur.

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