Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0208
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Heft 4
DOI article:Der Graphiksammler
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ftück feiner neuen ßolzfcfmeidekunft. Selbftbildnis und andere fjalbßgurenbilder, die
nun erfcßeinen, zeigen ißn auf vollkommener Fjöhe jn Beßerrfd)ung diefer Cecßnik.
Man empfindet es gegenüber dem ungeheuren Format feiner beften Lithographien faft
als eine Klohltat, daß diefe Fjolzfchnitte einen kleinen Umfang haben. Um fo größer
wirkt fich ihre innere Spannung aus, ihr formaler wie geiftiger Gehalt, beide zu reft-
lofer Deckung gebracht.
Vielleicht hat Beckmann hier erft fein wahres Inftrument gefunden, das er prälu-
dierend erprobt. Der Kleg diefes zweifellos höchft repräfentativen Deutfchen (wie
Meier-Graefe ihn nannte) ift fo ungeheuer weit und reich, daß fich neue Perfpektiven
mühelos und ohne Einbuße feines bisherigen Befitjes eröffnen können. In den lebten
Gemälden, die im vorigen Sommer zu fehen waren, fdhien eine Entfpannung, eine
eife Neigung zur Bejahung der Kielt fich anzudeuten. Die abweifende Form der
jüngften Radierungen läßt davon weniger erkennen, wenn auch die Gefte des zürnen-
den Propheten ihnen fern liegt und der Gegenftand der einer objektiven Betrachtung
ift. In den volleren Äkkorden der Fjolzfchnitte aber wirkt jener Geift beginnender
Äusföhnung weiter, und zwar, was befonders erfreuen muß, in der Form, die weicher,
flüffiger, deutungsreicher ift und weiter ausholt.
Nie wird ein fo fchöpferifcher Geift wie Beckmann fich an einem Ende finden; jede
Stufe ift ihm nur Änfatj zu größeren Möglichkeiten. Kler da glaubt, er habe mit
feiner „Nacht“ und „Kreuzigung“ ein endgültiges Klort gefprochen, muß feinen Irrtum
bekennen. Klir alle aber, die von Änfang an glaubten an feinen Stern, auch als er
noch unklar und flimmernd über den Fjorizont fich erhob, fehen mit Beglückung aber-
mals ein Cor zu neuen Ländern deutfcher Sehnfud)t aufgetan.
184
Max Beckmann.
Frau mit Kerze. 1920. Fjolzfcßnitt.
nun erfcßeinen, zeigen ißn auf vollkommener Fjöhe jn Beßerrfd)ung diefer Cecßnik.
Man empfindet es gegenüber dem ungeheuren Format feiner beften Lithographien faft
als eine Klohltat, daß diefe Fjolzfchnitte einen kleinen Umfang haben. Um fo größer
wirkt fich ihre innere Spannung aus, ihr formaler wie geiftiger Gehalt, beide zu reft-
lofer Deckung gebracht.
Vielleicht hat Beckmann hier erft fein wahres Inftrument gefunden, das er prälu-
dierend erprobt. Der Kleg diefes zweifellos höchft repräfentativen Deutfchen (wie
Meier-Graefe ihn nannte) ift fo ungeheuer weit und reich, daß fich neue Perfpektiven
mühelos und ohne Einbuße feines bisherigen Befitjes eröffnen können. In den lebten
Gemälden, die im vorigen Sommer zu fehen waren, fdhien eine Entfpannung, eine
eife Neigung zur Bejahung der Kielt fich anzudeuten. Die abweifende Form der
jüngften Radierungen läßt davon weniger erkennen, wenn auch die Gefte des zürnen-
den Propheten ihnen fern liegt und der Gegenftand der einer objektiven Betrachtung
ift. In den volleren Äkkorden der Fjolzfchnitte aber wirkt jener Geift beginnender
Äusföhnung weiter, und zwar, was befonders erfreuen muß, in der Form, die weicher,
flüffiger, deutungsreicher ift und weiter ausholt.
Nie wird ein fo fchöpferifcher Geift wie Beckmann fich an einem Ende finden; jede
Stufe ift ihm nur Änfatj zu größeren Möglichkeiten. Kler da glaubt, er habe mit
feiner „Nacht“ und „Kreuzigung“ ein endgültiges Klort gefprochen, muß feinen Irrtum
bekennen. Klir alle aber, die von Änfang an glaubten an feinen Stern, auch als er
noch unklar und flimmernd über den Fjorizont fich erhob, fehen mit Beglückung aber-
mals ein Cor zu neuen Ländern deutfcher Sehnfud)t aufgetan.
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Max Beckmann.
Frau mit Kerze. 1920. Fjolzfcßnitt.