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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 7
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Goebel, H.: Deutsche Wandteppichmanufakturen im 18. Jahrhundert: Die Bildteppichmanufakturen in den Markgrafschaften Bayreuth und Ansbach
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0343

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Elemente nad) den Kartons von Charles Le Brun — die Bordüre ift der „Erde“ ent-
lehnt —; den Raumabmeffungen entfpredjend ift die Serie durd) eine fünfte umfang-
reiche Klirkerei „den Bimmel“ — Ätlas trägt das Planetarium, eine zweite Geftalt
unterftreidjt den Gedankengang, im Hintergründe lagern Ruine und Cempell)alle —
fowie den „Behang mit den Künden“ nach unbekanntem Vorbilde erweitert. Die Folge
dürfte aus der 3eit um 1730—1735 ftammen, fie wurde unter Fürftbifchof Jofeph I.
Dominikus v. Lamberg erworben (1723—1761). Die Serie ift dank der eifrigen Be-
mühungen des Herrn Landgerichtsdirektors Dr. Kalb, der mir liebenswürdigerweife die
Abbildungen der Ceppiche in Äusficht [teilte, inftand gefegt. Es ift zu bedauern, daß
die Bordüren zum Ceil wieder eingefchlagen wurden.
Ein Behang der Groteskenreihe tauchte 1920 im Stuttgarter Kunfthandel auf, fie
dürfte inzwifchen in den Befitj des Münchener Schloßmufeums übergegangen fein. Von
gelblichem Grunde erheben fid) Grotesken, in matten Farben gehaltenes Rankenwerk
faßt die Nifcße mit dem Gotte. Die Arbeit ift ziemlich grob, die Ausführung erinnert
durchaus an die zeitgenöffifchen Arbeiten Aubuffons. Die Signatur nennt in der braun-
fdjwarzen Klirkerkante I. D. CHAZAUX Ä ERLANG als Erzeuger. Die Bordüre ver-
wendet die üblichen Blumenmotive.
Klefentlid) lebhafter im Con gibt [ich ein zweiter, gleichfalls voll [ignierter Ceppid)
im Münchener Sdjloßmufeum (f. Abb.). Der Behang kann fleh nach Art und Güte der
Ausführung durchaus mit den befferen Aubuffonarbeiten meffen. Im Vordergründe ver-
gnügt fid) der Hirt mit einem primitiven Mufikinftrument, eine Magd melkt die Kuh-
Bäume, Gebüfd), blühendes Pflanzenwerk faffen die malerifche Szene. Im Fond erhebt
fleh eine bergige Landfd)aft, am Fuße des Fluffes lagert eine reiche Gartenanlage im
Gefchmacke Le Nötres vor einem altertümlichen Schlöffe. Girlanden und dekorative
Ranken mit flatternden Bändern faffen die Bordüre, eingeftreute blühende Blumen er-
höhen den farbigen Reiz.
Mit den erwähnten drei Serien dürfte der Vorrat der Dedjazaux bei weitem nicht
erfd)öpft fein. Es find mir verfd)iedene unfignierte Behänge bekannt, die in üed)nik
und Auffaffung ftark mit den Erlanger Arbeiten zufammengehen. Immerhin ift bei
der 3ufd)reibung derartiger Stücke äußerfte Vorfid)t geboten, fie können ebenfo gut
einer der zahlreichen Manufakturen von Aubuffon, die zu diefer 3eit allerdings die
blaue Klirkerkante führen, als auch den Manufakturen von Schwabach, Hameln, Han-
nover, Fulda, Heidelberg oder Straßburg angehören.
Die feltene Gattung der Porträtwirkereien verkörpert das Bild des Geheimrates von
Superville im Landesmufeum zu Braunfchweig (f. Abb.). Das Mittelfchild des unteren
Rahmenteiles trug nach der liebenswürdigen Mitteilung von Herrn Dr. CI). Scherer vor
der vor Jahren erfolgten Neuvergoldung die Infchrift: Daniel de Superville qui iussu
et munißcentia Serenissimi Ducis Caroli museum hocce totum quantum collegit et di-
gessit. MDCCLIV. Das gewirkte Bild ift demnach 1754 entftanden; eine eigenhändige
Notiz des Herzogs Karls I. von Braunfchweig fpricl)t von „des Geheimrath von Superville
in Erlangen gewirkten Portrait“. Da außer dem Atelier des Jean Decßazaux kein
anderer Klirkereibetrieb in der Bauptftadt der Markgraffcßaft beftand, ift die 3ufchrei-
bung ohne jeden 3weifel. Die Durchführung ift nicht ungewandt, fie läßt fid) natürlich
mit den zeitgenöffifchen Arbeiten der Gobelins nicht vergleichen. Immerhin verrät die
Löfung der Einzelheiten einen gefd)ickten Meifter, der auch fchwierigerer Details Herr
zu werden verftand. Die Porträtwirkerei, zumeift die fklavifche Kopie des Gemäldes,
liegt dem Kiefen des Bildteppichs fern, fie verlangt befonders gefchulte Künftler, die
mit allen Spezialfragen, insbefondere mit der Kliedergabe des Inkarnats, eingehend
vertraut find. (Fortfefeung folgt.)

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