Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

DOI issue:
Heft 7
DOI article:
Basler, Adolphe: Der Salon der "Indépendants"
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0362

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
priefen t>at. Ißr Soßn Utrillo konnte keinen öefferen Leßrmeifter haben.— Die „Evo-
cation des Krieges“ \ron Älbert Moreau ergreift durch dieüragik, die über dem von
ißm gemalten Schützengraben liegt, aber bei aller Bewunderung feines prachtvoll ge-
malten Bildes, das außerordentlich knapp empfunden und voll weifer Mäßigung,ift,
kann ich mich doch nicht enthalten, ißm nachdrücklich^ zu raten, er möge feine Kriegs-
imprefßonen lieber der Radierung anvertrauen, die ißm eine wefentlicß größere Freiheit
der Entfaltung garantiert. Vielleicht, daß wir in ißm einen neuen Callot begrüßen
dürfen, der das Elend des Krieges menfchlid) fymboliperen wird. Neben diefem Moreau
zeugt das Gemälde von Gromaire von einem innerlich ernften Suchen nach der großen
Form. Ich weiß nicht, welchem Siele Gromaire zuftrebt, aber fein weibliches Bildnis
offenbart einen Maler, der innere Größe will.
Die Skulpturen von Laurens haben trotz ißrer kubiftifchen Feffeln, dasfeibe 3eid)en
fcßöpferifcßen Geiftes.
Mit einem ftärkeren Gefühl für die Proportion, das ißm noch fehlt, mit dern arcßi-
tektonifchen Sinn, den er unbedingt befijjt und der Grazie, die feinen Schöpfungen
eigen ift, wird Laurens eines Cages pcßer unter den drei oder vier großen Plaftikern
unferer Seit feine Stellung behaupten. Seine anderen kubiftifchen Kollegen faßren in
diefer „neuen Kunft“ fort, in der fiel) Picaffo, Braque und Gris hervorgetan haben und
treiben einer noch meßr „moderniperten“ Kunftweife zu. Und was Metjinger an-
langt, der pd) nach fo vielen andern reuig vom Kubismus abgekehrt hat, fo hat er
eine „Einfcßiffung des Harlekins“ gemalt und einen „Bai travesti“, die beweifen, daß
er bei einigem guten tüillen ein ausgezeichneter Kandidat für den Rompreis fein würde.
Glaubt man überhaupt, daß wenn Emile Bernard nicht jenen Brief von Cezanne ver-
öffentlicht hätte, in dem der Meifter von Äix die Änfangsgründe der Dürerfcßen Kunft
und fo vieler anderer primitiver Meifter wiederholt, Lehren, die auf allen Kunftfcßulen
doziert werden, daß man dann überhaupt einen Kubismus gehabt haben würde, den
angeblich Picaffo erfand? Diefer ebenfo univerfale wie urfprünglicße, ebenfo wiffens-
volle wie kindliche Künftler klammerte fieß im Verlangen nach dem Neuen an jene UJorte
des Cezannefcßen Briefes „traiter la nature par le cylindre, la spßere, le cöne etc.“
Picaffos Irrtümer find dennoch allemal durch ein ftarkes üalent ausgezeichnet, aber
die Geßirnakrobatik Me^ingers war eine Sackgaffe. Diefe Irrungen haben ißrerfeits
woßl eine durchaus nützliche Diskufßon über die bisßer von der Malerei befolgten Me-
thoden ßervorgerufen, beifpielsweife über die Perfpektive oder über Proportionen
der Dinge unter dem Gepcßtspunkt der Anatomie oder des Ärcßitektonifchen. So per-
vers aueß das ftarke üalent von Picaffo fid) entwickelte, hat es trofedem eine ßeiifame
Reaktion in der Malerei ßervorgerufen. Die Frage, die mir Metjinger ftellte: „Glauben
Sie, daß der Kubismus tot ift?“ kann nur aus einem armfeligen Geifte kommen. Des-
halb durfte id) ißm antworten: „Nein, der Kubismus ift ewig.“ Ob er mich begriffen
ßat, weiß id) nießt. Es gibt keine beffere Erklärung als die, die Derain eines Cages
den Kubiften gab als man über die vierte Dimenfion fd)wäßte und er fagte: „Cest la
section d’or.“ Aber das griffen pe auf, um fo ißre Gruppe zu benennen.
Indes diefe Bemerkungen füßren zu weit ab von der Ausftellung der Iridependants,
und icß möcßte docß den Artikel nicht fd)ließen, oßne jene erftklaffigen Maler und
Bildhauer erwähnt zu haben, die l)ier den Beweis ißres künftlerifcßen Könnens er-
bringen, wie etwa Dufy, der ein feinpnniger und phantapebegabter Dekorateur ift,
oder wie der Maler Leger und der Bildhauer Czaky, die fo ftark auf der Suche find
naeß dem Ärcßitektonifchen in der Kunft, oder wie der glänzende norwegifeße Maler
Per Krogß oder der ausgezeichnete und kapriziöfe 3eäi)ner Pascin, der als Maler
weniger überzeugt. Daneben der kluge Conrad Kikert, Bertßold Maßn, Fjuot,
Dubreuil, Ferat, der Graphiker Galanis, Makowfki, Survage, der die neue
künplerifcße Formel von Braque glücklich weiter entwickelt, der feßr begabte ütter,
Barat de Lille und der vielverfprecßende Cßarbonnier. Dazu einige Schweizer,

338
 
Annotationen