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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 7
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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0382

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Äusftellungen

Riefenkraft diefes Erdenfobns dort fonp nie recht
pcb zu gewinnen vermochte. Sein blutüber-
fprengter, umdüßerter Kruzipxus blüht prangend
in Rubin und Rofen, gewaltig und fuß durch den
Raum pcb tragend wie Orgelton. Noldes glühende
Harmonien, feine gedrungene Schwere mögen
den fonp unbefangen-robupen Realipen beein-
flußt haben; alle Fleifchlichkeit des Hktes ip,
ohne Einbuße an Unmittelbarkeit, herrlich über-
wunden. Unerhört tief blaut daneben der
Klalcbenfee empor, erlöp von jeder Beengung,
ein elementares, traumweites Sidjauftun. Gegen-
über herrliche Chryfanthemen, ein Strudeln braun-
violetter, goldiger Kraftbüfcbel, ein hymnifches
Inbild der treibenden, fchüttenden Natur, hin-
gemalt fo krampflos, reich und buntbewegt, wie
pe felber fcbafft. Dagegen blaßt, was die
Scboltj, Leffer-Ury und Charlotte Berend
fonp Änerkennbares in die Nähe zu hängen
wagten, dagegen fällt klaftertief die Bequemlich-
keit, Schwäche und Unnatur ringsber ins Nichts.
Die „Sezeffion“: das ip nur noch LovisCorinth-
Die lebten Klocben brachten noch andere
Gruppen-Äuspellungen, fo den Verfuch der rüh-
rigen Galerie F. Möller, den Kreis der
„Brücke“ zu umfcbreiben. Der Verfuch ip prin-
zipiell febr anzuerkennen; folche Darbietungen
unter einem hiporifcben, tbematifcben oder mor-
phologifchen Gepchtspunkt fehlen uns geradezu.
Freilich,_ die „Brücke“ bedurfte am wenigpen
folcher Überpcht, da die Klerke ihrer ehemaligen
Mitglieder überall und dauernd gezeigt werden.
3udem wirkte die Auswahl etwas zufällig, weder
für Nolde noch Fjeckel, weder für Pechpein
noch Schmidt-Rottluff wirklich repräfentativ.
Kirchner dagegen trat in feiner ganzen fein-
fühligen Überlegenheit und Rarbeit hervor, ins-
befondere mit der in Rhythmik und Klangwir-
kung gleich köftlicben „abfteigenden Kuhherde“
und mit einem Stilleben von fächelnder Charme
der Austeilung und des Cons. Kläbrend weiter
Czobel undRadziwill fchwerlich der „Brücke“
zugerechnet werden können, leitet pcb Gra-
matte deutlich von Fjeckel her. Seine plbrig
fcbillernde Malerei ip noch experimentell und
dünnen Geblüts. Huch Kaus bedeutet gewiß
eine Milderung und liebenswürdige Entfcbroffung
des „Brücke“-Stils, aber allein fein klares, luftig
leuchtendes Fjafenftück bezeugt ihn fcbon als
ftiilen Melodiker von gewähltem, ruhigem Farb-
emppnden.
CUenn fcbließlicb mit einigen zwar faß auf
bloße Umriße reduzierten, fpröden, aber rhyth-
mifd) überaus fuggeftiven Akten der zarte Ly-
riker des Kreifes, Otto Mueller, an diefer
Stelle monodifch-einfacb, fein, vielleicht etwas
bleich erfdjeint, fo ip gleichzeitig bei Gold-
fchmidt & Klallerßein Gelegenheit geboten,
ihn in feiner lebten Produktion kennenzulernen
und nun feßzuftellen, daß er pd) treu geblieben
und nur pcberer, kräftiger, noch gelößer ge-
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worden ift. Immer noch pnd es fcbmale Mäd-
chen, kontemplativ zwifcben Dünen gelagert,
gegen einen Kleiber gebogen, pnd es ßill und
hingebungsvoll beieinander weilende junge
Menfdjen in ihrem fchlichten Einvernehmen,
ihrer beberrfcbten, traumbewegten Einfamkeit,
die der Künpler zeichnet und malt. Die Land-
fchaft fpielt in faß alle Bilder hinein, genügt
pcb zuweilen auch felbß: einige fchwanke Bäume,
ein wenig Schilf oder Geßräucb gegen Kläffer
und ßimmel, nur fandgelb, mattgrün, fdflefer-
farben in körniger Schrift hingezeichnet, eine
Art ganz unfüdlicber, fparfamer Ideallandfcbaft,
Dann wohl auch ein paar Köpfe nur, fchweig-
fam-felbßverßändlid) im Ausdruck, verbunden
miteinander durch den Gleichtakt der aus ihnen
fprechenden Emppndung. Ähnliches hat Mueller
immer wieder gemalt, ohne doch zu langweilen.
Ja, die neue Auspeilung überrafcht geradezu
mit jedem Bild, fo vertraut es einem doch in
allen 3ügen ift; das liegt an nichts Anderem,
als an der Reife der Fügungen, deren jede
ebenfo locker wie unverrückbar anmutet und als
Eindruck haftet. In aller Subtilität iß diefer Kunß
eine gar nicht gewöhnlicheFeßigkeiteigen; und
fo fcbwellend, luftdurcfl fpielt jeder einzelne
Kreide- oder Pinfelzug verläuft, fo prägnant iß
aller Kontur. Der menfcblicbe Reichtum diefer
Dinge, fo befcbeiden er auftritt, iß bei viel-
hundertfach variierter Faffung nicht dünn ge-
worden. Sanfte Schwermut fdjwingt durch die
leicht entworfenen Blätter und gobelinhaften
Malereien, die den Adel des meißerlicben Ge-
räts haben und zum bewohnten Raum ßreben.
Der künßlerifcbe Cakt gleicht Schwere und
Leichte, Anmut und Gedanklicbkeit immer auf
neue Kleife aus, läßt es zu Mißgriffen und fal-
fchen Allüren nicht kommen. Grundfätflicb wäre
trotjdem dem Künpler zu raten, die Kleife feines
Flötenlieds einmal zu wecbfeln, da feine Kraft
auch einen erweiterten Cbemenkreis zu erfüllen
pcb getrauen darf.
Eine weitere Gruppe läßt pcb bei Flecbtbeim
befeben, Ruffen Parifer Provenienz, die ihren
Gegenfatj zur ofßziellen fowjetrufpfchen Kunft
gar nicht fo park betonen müßten, denn es klafft
ein Abgrund zwifcben ihrem eigenen bieder-
meiernden Eklektizismus (nach Derain, Picaffo,
fpanifdben Vorbildern ufw.) und deren tecbni-
zipifch-purißifchen Kühnheiten. Diefe acht kaum
unterfcheidbaren Baßler fpielen mit einß ßreng
gemeinten, jetjt falonfäbig gewordenen Motiven,
mit ßarlekins Melancholie, der Craurigkeit von
Filzhüten und geßreiften Fjofen, kubißifd)en
Gliederungsprinzipien. Aus ßumpfen, grau-
braunen Cönen erfteilen pe etwas ganz Ge-
fcbmackvolles, das etwa fo bodb zu werten iß
wie die 3ierkunß der Kliener Klerkßätten, fagen
wir Peches, ßofiaffon und Bobermann
werden dabei noch am deutlicbßen, während
Eugen 3ak durch ein nur von der Laune dik-
 
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