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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 8
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Mayer, August Liebmann: Meister Hans von Schwäbisch-Gmünd und der Hochaltar der Seo in Zaragoza
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0400

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der Nachfolger offenkundig großen Anteil an der Fortführung und Vollendung des
üJerkes hatte.
Diefer Nachfolger war Don Juan de Äragon, der ältefte Sohn des Königs Juan von
Navarra und Äragon, der im Jahre 1460 den vier Jahre vorher verftorbenen Dalmau
de Mur ablöfte und felbft im November 1475 ftarb. Es ift doch kaum anzunehmen,
daß diefer Kirchenfürft erft 13 Jahre nach feinem Regierungsantritt die Kleiterführung
des Hochaltars förderte.
üJer war aber nun diefer deutfche Meifter Hans? Die Änficht Bertaux’s habe ich
nie teilen können und vermutete immer, daß der Bildhauer eher vom Oberrhein oder
aus der Bodenfeegegend kommen müffe. ÜJir brauchen aber wegen der tatsächlichen
Heimat nicht lange herumzuraten; denn eine wichtige Handfd)rift gibt uns hierüber in
aller Deutlichkeit Auskunft. Der Nürnberger Arzt Hieronymus Münzer hat 1494 bis
1495 eine Reife durch Spanien unternommen. Das „Itinerarium Hispanicum Hieronymi
Monetarii“ gehört zu den Schaßen der Münchener Staatsbibliothek und ift 1920 im
48. Band der Revue Hispanique von Ludwig Pfandl veröffentlicht worden. Münzer
war kein fehr kunftverftändiger Mann, aber intereffierte fich fehr für feine Landsleute.
Er verfchweigt ftets die Namen der deutfchen Künftler, aber berichtet woher fie ftammen.
So find feine Notizen höchTt willkommene Ergänzungen zu den Dokumenten der fpa-
nifchen Archive. Über den Hochaltar der Seo in 3aragoza weiß er folgendes zu fagen:
(Ms. p. 207) Habet item \)ec ecclesia tabulam cßori altissimam et multum latam, a
basso usque ad summum cum ymaginibus optimis, ex solo alabastro candidissimo
facta. Et, ubi oportuit, ymaginos optime sunt deaurate. Non est preciosior tabula
de alabastro in tota Hispania. Item incepta a quodamÄlmano ex Flandria, cui mortuo
successit alius Almanus ex Gmunda Suevia, qui consumavit.
Es geht heraus klar hervor, daß unfer Meifter Hans aus Schwäbifd)-Gmünd ftammte.
Irgendwelche 3ufammenhänge des Künftlers mit Arbeiten feiner an plaftifchen Meifter-
werken nicht armen Vaterftadt habe ich nicht auffinden können. Der Deutfche hat fid)
offenbar in Spanien fehr fchnell akklimatifiert. Man findet wohl bei fchärferem 3U"
fel;en eine ganze Reihe deutfch anmutender Köpfe, wie den fchnurrbärtigen hi- König
bei der Anbetung, die Engel auf allen Darftellungen, namentlich auch die wappenhal-
tenden, ferner die Maria und die meiften Äpoftel bei der „Himmelfahrt“, und man kommt
auch bald, wenn man das öderk auf feinen rein fpanifchen Charakter hin prüft, zu dem
Ergebnis, daß der Autor unmöglich ein eigentlicher Spanier fein kann. Die Chriftus-
geftalt auf beiden feitlichen großen Darftellungen ift in ihrer Ruhe doch durchaus
fchwäbifd), wie auch die ganze Äuferftehungsfzene fehr viel von jenem dekorativen
Schönheitsgefühl befißt, das wir befonders in Schwaben antreffen. Gerade diefe Szene
ift weit entfernt von irgendwelcher fränkifdjer Bewegtheit, und je mehr man fich hmein-
verfenkt, wird man an Schöpfungen etwa der Ulmer Schule gemahnt. Eigentümlich
find die vollbärtigen Männerköpfe mit dem fehr breiten Mund und den fchön gewellten
oder in fehr forgfältige Locken gedrehten Bärten und Haaren, befonders Mofes und
Elias bei der „Verklärung“, die in dem Äpoftel ganz rechts auf der „Himmelfahrt“
einen Bruder haben. Auch unter den einzelnen Heiligenfiguren kommen Verwandte
vor, wie Santiago und S. Braulius. Diefe bärtigen, unterfeßten üypen erinnern etwas
an ältere burgundifcße Figuren. Der Künftler verleiht den meiften Köpfen ein mildes
Lächeln. Gewalten wie die hl- Katharina beßßen fcßon fehr viel renaiffancehafte Hal-
tung, Fülle und Breite. Die Gewänder find fehr faltenreich, bei dem Gewand Chrifti,
wie bei dem verfchiedener kleiner Heiligenfiguren fallen die faft parallelen Längsfalten
auf. Der Künftler liebt es, die Füße von den Gewändern völlig bedecken und in reichftem
Faltenwerk umfpielen zu laßen. Macht fich fchon in den Köpfen die eigentümliche Ver-
einigung naturaliftifcher Beobachtung und ornamentaler Stilifierung (namentlich bei den
Sd)langen-Locken, in den Schnurrbärten fowohl wie bei dem Haar und bei den Voll-
bärten) fehr bemerkbar, fo tritt diefe Verbindung auch fonft uns auffällig entgegen.

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