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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 9
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Goetz, Hermann: Die indischen Miniaturen der Berliner Museen
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0444

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gewicht zwifcßen Indern und Muslims ßerftellte, eine Art indo-islamifcßer Mifcßkultur
aufzubauen fucßte, begann eine neue Kunftblüte. Die Malerei, die unter feiner Pflege
erwuchs, zeigt deutlich diefes 3eicl)en jener Kulturpolitik, die enge gegenfeitige Durch-
dringung der damaligen perpfcßen Malerei mit der indifcßen. Eine Reiße Blätter im
gleichen Mufeum läßt uns dies gut verfolgen, wie zum Beifpiel das hier abgebildete
(Äbb. 1), das eine Szene aus einer nicht näßer genannten Erzählung zeigt. Ein 3e-
nänagarten — am Abend fpielen die Kinder in der küßl gewordenen Luft am Kläffer —
und ein Mädcßen, das den Tod von der Fjand feines Liebhabers erwartet, während
im Hintergrund fcßon der Retter näßt (vielleicht aus „Suz-u-Gudaz“ von Nau'i). Eine
feine, müde Stimmung über dem Ganzen, die Farben zurückhaltend in wunderbarer
Harmonie, kaum daß die Hauptpguren durch die kräftige Tönung ißrer Kleidung aus dem
Grün der Bäume, dem Graublau des Kläffers und dem Braun der Bauten heraus-
gehoben werden, önd doch wirkt dies nicht ftumpf, fondern nur traurig, wie es ficß
ftiil und rußig abhebt gegen das Gold der fcßeidenden Sonne. In feiner ganzen Kompo-
fition ein typifcßes Bild der Sultan-Mußammad-Schule Perfiens — und docß weichen
feine Figuren von deren Ärt ab und füßren uns hinüber zur indifcßen Provinzialkunft
jener 3eit» wie wir fie beffer noch an der Raziunämaß-Handfcßrift zu Jaipur und den
Oriffa-Malereien beobachten können. Eine Prachtßandfcßrift in der Staatsbibliothek zeigt
ein anderes Bild aus diefem Kreife, ebenfalls waßrfcßeinlich der Rajputenfage ange-
hörend. Dort nennt auch ein Blatt einen Künftler, Kefavadäs, der in einer Hindl-
Infcßrift diefe feine Arbeit im Jaßre 1590 Äkbar gewidmet hat.
Die meiften anderen Blätter gehören fcßon der Regierungszeit des näcßften Kaifers,
des Trunkenbolds, aber großen Kunftfammlers, Jaßänglr, an. Es ift die 3eit des erften
direkten europäifcßen Handels mit den Hauptftädten von „Mogor“. 3n den Taufcß-
waren, die man für die Scßäfee Indiens brachte, gehörten neben Textilien, tlßren und
anderen tecßnifcßen Erzeugniffen, wie Kanonen u. a., zu einem nicßt geringen Teile
Bilder. Sie wurden am Mogßul-Hofe ßocßgefcßätft und viel kopiert. Die erwähnte
Handfcßrift birgt eine ganze Reiße folcßer Kopien nach niederländifcßen, italienifcßen
und fpanifcßen Bildern und Stießen. Auch die Sammlung Sarre und das Völkerkunde-
Mufeum bept^en ähnliche. In fpäterer 3eit wurden mit dem Klecßfel des europäifcßen
Einßuffes erft ßolländifcße, dann franzöpfeße Bilder meßr bevorzugt. Das alles wirkte
auf die einßeimifcße Malerei zurück, die fieß in der Kompofition nun meßr und meßr
der europäifcßen annäßerte. Klir geben hier ein kleines Bild der Jaßängir-Scßule
aus dem Mufeum für Völkerkunde (Äbb. 2), eine Prinzefpn von Kängra im Garten
mit zwei Dienerinnen. Die Kompoption ift wefentlicß konzentrierter geworden, die
Perfpektive ßat pcß der europäifcßen genähert; aber geblieben ift jener eigenartige
Reiz, welchen die op fo gewagten und docß immer fo feinfühligen Farbenvifionen des
Oftens diefen Miniaturen verleihen. In der Folgezeit nimmt der europäifeße Einßuß
weiter zu; jedoch ift die Klirkung nicßt günftig. Die auf die Linie eingeftellte Äuf-
faffung der indifcßen Künftler fand pcß nidßt gleich mit der malerifcßen Sehweife des
Barock: ab. Erft allmählich, gegen Ende der Regierungszeit des Kaifers Sßäh Japan,
um 1660, beginnt pcß ein Ausgleich anzubaßnen. Diefer neue Stil ift vor allem in
jenen Alben des Mufeums für Völkerkunde vertreten, denen Sattar Kßeiri feine Ver-
öffentlichung entnommen ßat, fo daß wir hier kaum darauf weiter einzugehen brauchen.
Immerhin fei es geftattet, auf ein befonders gutes Porträt diefer 3e^ — und die
Regierungsjaßre Sßäß Jaßäns faßen ja gerade die ßöcßfte Blüte indifeßer Porträt-
kunft — ßinzuweifen, daß des Maßäräja Jaswant Singß von Jodßpur, Feldßerrn der
beiden Großmogßuls Sßäß Jaßän und Aurangzeb. Das düftere, verbitterte Gepcßt ift der
getreue Spiegel eines reich bewegten Lebens: des Tages, da er als Bepegter mit
kaum 500 Mann, dem Reft eines gewaltigen Heeres, aus der Scßlacßt von üjjain nach
feiner Burg ßeimkeßrte, deren Tore feine Rani vor dem verwundeten Feldßerrn ge-
fcßloffen ßatte, um die Schande diefer Niederlage nicßt mitzuerleben, feiner feßwierigen

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