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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 10
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Ehl, Heinrich: Ein deutscher Maler des 11. Jahrhunderts und sein Modell
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0472

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Katalog der Cßuonradt, Purcßardt und anderer erweitert und zugleid) das überrafd)end
getreue Porträt eines deut[d)en Menfcßen aus dem 3eitalter der politifd)en Führung
Europas durd) den deutfcßen Bauernadel greifbar naße bringt.
Es ift nid)t fo feßr der Sinn für das Hlirklicße, das als der unausmeßbare Komplex
aller vorhandenen materiellen wie geiftigen Üatfacßen zu gelten hat, als vielmehr die
einfeitige Fjingabe an das zufällige Naturvorbild, auf dem die Möglichkeit des Porträts
beruht. Hier es als Meifter verwirklichen will, muß notwendig von der Hlicßtigkeit
der Oberfläche durchdrungen fein. Infofern ift die zeitliche Konftellation des 11. Jahr-
hunderts wie des frühen Mittelalters überhaupt diefem Exponenten eines wie immer
zu umfchreibenden Naturalismus nicht günftig, als ihm das geiftige Symbol einer prie-
fterlid) orientierten Änfchauungsweife mit der ausfcßließlicßen Betonung des Jenfeitigen
widerfprid)t. Porträt ift letzten Endes eine Frage der Cecßnik und im günftigften Falle
eine Angelegenheit des Stils. Rhythmus und Fläche, die beftimmenden Größen und
fchöpferifchen Faktoren der ottonifchen Malerei, [erließen das Nebenfäcßlicße und 3u-
fällige aus, weil fie von einem Größeren erfüllt find. Die Illufion wird nicht gefueßt.
Man malt nicht, fondern man deutet die geiftlicße Hielt in Sinnbildern aus. Darum
war die karolingifche Kunft mit ihrer ßandfeften Befd)ränkung auf das Dingliche dem
Phyfiognomifchen günftiger, weil fie die Erfcheinung als fold)e malte, nicht den Sinn
der Dinge fuchte, fondern ihren Schein bewertete. Die beften Leiftungen des Porträts
gelangen aus eben diefen Gründen auch im 11- Jahrhundert dort, wo die malerifche
Cendenz, das Modele der Oberfläche, am wenigften vergeffen war, in der Malkunft
von Regensburg. Die Beifpiele liegen vor in den verfd)iedenften ßandfehriften, die
für Heinrich II., Konrad III. und FJeinricß III. angefertigt wurden. Hlie hier der byzan-
tinifche Illufionismus, fo ift es am Rhein eine bewußt retrofpektive Verbindung mit der
antik-karolingifchen Malfinnlichkeit, die die Vorausfeßung für die Hliedergabe der
äußeren Erfcßeinung feßuf. Für die Kunft des deutfcßen Südweften von Reichenau bis
Echternach gehörte das Prinzip zu den Überwundenßeiten der Cradition. Als feinen
Nachfolger erkennen wir den Meifter Gundold, der fiel) in einem Evangliar der Stutt-
garter Landesbibliotßek ausdrücklich als Maler des HIerkes zu erkennen gibt.
Über diefes felbft nur fo viel, daß es einer umfangreichen Schule angeßört, deren Siß
Köln ift, und die im Gegenfaß zur führenden Kunft des Südweftens die malerifcßen
Überlieferungen Nordoft-Frankreicßs aus dem 9. Jahrhundert bis tief ins 11. hinein
fortfeßt. Das Evangeliar ftammt aus dem Aachener Münfter und ift im engften An-
fcßluß an die Vorbilder der heute noch dort befindlichen Fjandfcßrift und des Hliener
Scßaßkammerevangeliars entftanden, in dem von Kößler ebenfalls eine Künftlerfignatur,
und zwar die eines Byzantiners, entdeckt wurde. Diefe traditionelle Bindung, die Ver-
wandtfeßaft des ornamentalen Schmuckes und der Schrift dürften im 3urammen^an9
mit der gefamten Kölner Malerei diefer 3^it heute nicht meßr in den Irrtum füßren,
dem noeß die beiden gelehrten Benediktiner, Martene und Durand verfielen, die es zu
Anfang des 19. Jaßrßunderts in Aachen am Orte feiner Beftimmung und teilweifen
Entfteßung faßen. Sie feßrieben es dem 9. Jahrhundert zu, während es ficßer erft im
11. entftanden ift. Hlicßtiger im 3ufammen!?an9c diefer Ausführungen ift es, daß die
vier Evangeliften des zweibändigen Buches von anderer FJand find als die beiden hier
vorgeführten Blätter, und zwar von einer FJand, die fid) fo maßgeblich von dem Meifter
des Scßaßkammerevangeliars füßren läßt, daß die Anfertigung diefer Bilder nur denkbar
bleibt unter dem ftändigen Blick auf die Vorlage in Aachen felbft.
Meifter Gundold ift der Schöpfer der Kreuzigung und der FJerrlicßkeit Cßrifti. Diefes
zweite Blatt gibt einen ikonograpßifcßen Anßalt für die fießere Datierung ins 11. Jahr-
hundert, weil die Anordnung der Kompofition in diefer HIeife nur in der Kölner Malerei
diefer 3cit angetroffen wird. Die ftärkfte Übereinftimmung weift die gleiche Darftellung in
einem Evangeliar des Kölner Priefterfeminars auf, die feßon ißrer ßoßen Qualität wegen diefe
Veröffentlichung verdient. Der Cßriftus diefes Bildes ift ebenfalls oßne Bart dargeftellt.

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