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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 10
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Ehl, Heinrich: Ein deutscher Maler des 11. Jahrhunderts und sein Modell
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0477

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diefer Aufforderung, dem Menfd)lid)en nachzufpüren, nicht ftattzugeben. Der Mann
ift aus der bäuerlichen Raffe des weftfälifcljen Landadels hervorgegangen. Der ganze
Habitus und nicht zuletjt der wohlgenährte Körper und die „Holländerftim“ find gar
nicht zu verkennen. Damit findet man fich durchaus nicht im Bereiche der anekdoti-
fchen Genres. Die Kölner Kanonikatsftifte wurden, weil der Bifchofsfi^ Bauptftadt des
Herzogtums Kleftfalens war, vom Adel diefes Landes vorzugsweife befetjt, damals fo
gut wie noch heute. Bei der Klahrfcheinlichkeit, daß die Handfchrift für Aachen ge-
fertigt wurde, büßt diefe Vermutung durchaus nicht an Gewißheit ein.
Bliebe die Frage, ob Gundold eben diefer Stifter fei. Abgefehen von der füddeut-
fchen Form des Namens hätte kein Grund Vorgelegen, in diefem Falle Namensinfchrift
und Perfon zu trennen. Vielmehr: weil der Name auf einem Blatte gefchrieben fteht,
und das Porträt des Stifters auf einem anderen, darum dürfen wir annehmen, daß es
fich um den Maler und fein Modell handelt. Kler will, mag die Novelle weiter aus-
fpinnen, doch wird von nun an die erzählende Phantafie überwiegen. Klaren es zwei
in ihrem Selbftbewußtfein kongenial empfindende Menfdßen? Klaren fie vielleicht zu-
fammen in Konftantinopel und weiter im Heiligen Lande gewefen, und alfo das Evan-
geliar ein Dank für glückliche Heimkehr? Verleitete fie ihr Vollgefühl der eigenen
Perfönlid)keit dazu, das Buch einem Heiligtum der Cradition nachzubilden, einem Klerke,
von dem der Ruf ausging, es habe in den Händen des fd)on fagenhaften Kaifers Karl
geruht, der der Rivale von Byzanz war und der Freund des Kalifen, der Paläftina
befaß? Sollte der Grund dafür, daß die Evangeliften der Handfchrift, die faft eine
Kopie des Kliener Schafekammerevangeliars find, nicht von Gundold gefertigt wurden,
darin liegen, daß die künftlerifcße Herkunft des Meifters fich nicht in dem erforder-
lichen Grade den malerifchen Überlieferungen der Kölner Schule anzufcßließen ver-
mochte? Dürfen wir deswegen vermuten, daß der Stifter auf Grund einer perfönlidjen
Schälung des Künftlers und feiner im Gegenfatj zur herrfcßenden Schulmanier als mo-
dern empfundenen Kunft die Ausführung diefer beiden Bilder Gundold übertrug, um
auf diefe Kleife neben einer ungefähren Kopie des alten Evangeliars auch ein Denk-
mal der neuen künftlerifchen Auffaffung zu befitjen?
Klir kehren zur Hiftorie zurück. Ein Stifterbildnis im 11. Jahrhundert bietet an fich
des Intereffes genug. Der Parallelen find nicht viele. Im Cod. 209 der Florentiner
Riccardiana findet fich eine recht verwandte Kliedergabe eines fold)en Porträtverfuches.
Verehrend, halb kniend, halb fich hinwerfend ift auch hier der Stifter abgebildet. Das
Blatt mag um 1100 in Mittelitalien entftanden fein. In der Kölner Malerei gibt es
fchon hundert Jahre früher ein Beifpiel in dem Klidmungsbilde des Everger. Klieweit
fein Porträt als folches ftichhaltig ift, bleibt fchwer zu beurteilen. Sein Ernft, feine
Gewaltfamkeit, fein Herrfchertum find aus den ftrengen und vornehmen 3ügen wohl
herauszulefen. Immerhin: Es ift mehr fymbolifches Bildnis als Konterfei. Auf dem
üaufftein in Freckenhorft, auch er um 1100 gefdrjaffen, kniet ein Stifter. Noch früh
und feiten mutet fein Erfcheinen auf dem Fenfter in Kappenberg an, das ein Glanz-
werk der Glasmalerei des 12. Jahrhunderts ift. Noch fpäter liegt der Brüffeler Klirk-
teppich des Mufe Cinquantenaire aus Bingen. Sie alle find rheinifchen Urfprungs. Es
liegt darin kein 3ufall. Die römifche Gräberplaftik mit dem traditionellen Sinn für die
Naturnähe der Spätantike mögen die erfte Anregung und letzte Urfache für diefes ftarke
Eingehen auf eine modellmäßig ausgebeutete Vorlage fein.
Kreuzigung und Maieftas find die einzigen Bilder Meifter Gundolds. Die vier Evan-
geliften der Handfchrift find nicht von ihm. Vor ihrem Autor hat Gundold die ftärkere
Betonung und die beffere Beherrfchung der 3ei<hnung voraus, das verpflichtende Ge-
fühl für Form und die neue Gefinnung für den Stil der 3eit. Auch diefes fcheint ein
füdweftdeutfches Erbteil zu fein. Als dritter im Bunde neben Gundold und dem Evan-
geliftenmeifter erfcheint der fleißige Schreiber, deffen paläographifcße Schulung nach
Cßroufts Urteil keinen 3weifel darüber läßt, „daß das Buch der Schrift nach aus Köln

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