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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 10
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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0507

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Ausheilungen

[einer nach donatelleskem Realismus fd)ielenden
Pfeudogotik. Bar lad) hat einige fd)lagende
Geftaltungen gefandt, von C. Albert fieht man
einen [ehr knapp und dod) individuell formu-
lierten Kopf, eine Grabfigur R. Engelmanns
erinnert an diefen nie unedlen Bildner [ehr vor-
teilhaft, K. Edzard [teilt neben Klim[d)s
Glätte [eine dod) [ubtileren und wiederum
gewichtigeren Akte, J. üli erzwingt fid) mit
einem [ehr eigen modellierten Bildnis und
kräftig geformten Leibern zuftimmende Be-
achtung. Älbiker, die Sintenis enttäufcben
nicht, F)aller dagegen ift fchwad) vertreten.
3urück aber zu den Gemälden. In gutem Ein-
vernehmen benachbart frühe Koko[d)kas in ihrer
grüblerifchen ünruhe und die bewegte Reich-
haltigkeit einer Land[d)aft von 1918 mit uner-
hört gelockerten, flockig in die Farbe gefchütteten
Corinths und ein paar wunderbar befchei-
denen, aus meifterlicher Kleisheit geborenen
Bildern Liebermanns. Slevogt hängt für
fid), nötigt auch hier zur Bewunderung [einer
[pontanen, übermütigen Malweife, bleibt aber
irgendwie kriffelig, aufgeregt, ja laut, zumal in
einer großen (Kriegs- ?) Allegorie. Den großen
3eid)ner Slevogt erreicht der Maler ja nur
[eiten. Dann alfo Dix in all [einer ünverblümt-
heit, die warme Athmofphäre B. Czobels, die
Fjerbarium-Malerei von KI. Schmid, geleckte
Artiftik von Orlik, ähnlich eingeftellt, aber
hundertmal delikater und minder ausführlid)
G. KI. Rößner, auf ganz neu gewendet, jedoch
auch To nicht überzeugend Kraus köpf, rhytl)-
mifd) ftarke, höchft kultivierte, ein wenig de-
korativ aufgefaßte Figurenftücke E. L. Kirch-
ners, kräftigter, trolj Schematik [ehr wirkfamer
Pechftein, ein rätfelfchöner „Patroklusturm“ von
Rohlfs nebft einigen Aquarellen, andrerfeits
Croftlofes von E. Büttner, Kohlhoff, Klaske
woneben ein 0. 5. Engel unbedingt fympathifd)’
und Jaeckel diesmal jedenfalls in aller Auf-
machung als ein hohes 3ielen wirkt. Diefe
Namen kennzeichnen zur Genüge den hier ver-
tretenen Umkreis, das Maximum und Minimum
des gegebenen Niveaus. Von wenig Bekannten
laffenRemak, Fjasler, Max Neu mann offen-
bar etwas erwarten. 3iel)t man, fcheidend, die
Summe, ergibt fid) ein durchaus nicht mageres
Refultat. Berlin hat hier, alles in allem, für
Monate ein künftlerifches 3entrum.

Bei Flechtheim findet die Akademie-Aufteilung
einige Ergänzung. Erftens durch 3eid)nungen
ßof ers: karg umriffeneFiguren, Paare in dumpfer
Spannung, Gruppen in charakteriftifd) knapper
3u[ammenfd)ließung. Überall der maskenftrenge,
angftkalte, eckig bewegte 3ug, eine [chroffe,
[prüngige Größe der ßandfdjrift. DerStrid) der
Radiernadel befonders ausdrucksvoll. Ferner
Köpfe und Aktplaftik von Malier, Rende

Sintenis, Kurt Edzard. 3wifd)en diefen
feinen Künftlern viel Familienähnlichkeit; ihnen
gemeinfam ein zögerndes Sinnen der pfychifchen
Fjaltung, aber auch eine mehr zarte als willens-
feft formende Modellierung desDreidimenfionalen.
Blätter von M. Sterne (New York), in dünner
ümrißmanier, doch nicht ohne Schwung, gingen
mit drein. —
Der aus München kürzlich zum Lehrer an der
hiefigen ftaatlichen Kunftgewerbefd)ule beftellte
Bildhauer Edwin Scharff wurde im Kron-
prinzenpalais durch einen Überblick der zehn
lebten Jahre feines Schaffens gleich [am begrüßt.
Die ihm von Maillol überkommene materielle
Schwere des Körperlichen ift hier durch nnd
durch energifiert, dynamifiert. Der Kampf zwifchen
wuchtender Laft und rapidem Aufwärtsdrang
ift kaum je in klarerer Artikulierung, in ftrafferer
Rbythmifierung geftaltet worden. Allerdings be-
dient fich Scharff für den Ausdruck der Mafftg-
keit wie des Empors gewiffer etwas fummarifd)er
Bildungen, die zugunften der Klucht mitunter
die Innerlichkeit behindern, aber den Impetus
der kubifchen Cürmung fd)ließlid) zu monumen-
talen Klirkungen führen. Spiralig fährt die Leib-
fäule eines Jünglings aus der Feffelung des
Bodens auf; in unverrücklicher Majeftät thront
wie eine Perfonifikation der Schwere gebieterifd)
das Odeib. In Bildnisköpfen die erftaunliche
Vereinigung plaftifcßer Konzentration und diffi-
ziler Charakteriftik. FJeinrid) Manns füffifant-
gläferner Fjabitus, Frau Ritfchers heroifche Fjal-
tung überzeugen unbedingt. Ausgezeichnet ein
Pferd, deffen federnde, nervige Beine auch in
der fie auffangenden Füllung zum undurch-
brochenen Maffiv lebendig bleiben, zumal in der
Cerrakotta, die Scharff übrigens auch für Monu-
mentalgeftalten kühn genug verwendet. Auch
in vorzüglichen Bronzereliefs und auf manchen
3eichnungen erfctjeint diefes nach Bewegung
gleichfam lechzende Pferd, Scßarffs glücklichfte
Erfindung. Die Klerke des lebten Jahres über-
ragen durch eine faft an Rodin gemahnende
verfchränkte Figuration, die fich nur halb aus
dem flimmernden Marmorblock löft und in der
Einzelform fanftere Cöne erftrebt. —
Der FJochbetrieb geftattet kein Verweilen bei
künftlerifchen Erfcheinungen von geringerer
Eigenart. Bei Nicolai tritt einem der 1861 in
Moskau geborene K. A. Korowin, angeblich
führender ImpreffioniftRußlands, entgegen; eine
für uns nicht [ehr ergibige Bekanntfchaft,
immerhin ein farbiges Sehen, eine lebendige
Malerhand, derVorfrühlingsftimmungen, flirrende
tüärme des Sonnenlichts, buntes Auf glühen
leuchtender Cöne aus dem Kleben der Flecken
trotj gewiffen Lautheiten nicht ohne Schmelz
gelingen. Ein fpezififd) Ruffifches liegt wohl
nur in diefem freudig-materiellen Kolorismus.
Die Internationalität des Kubismus präfentiert
fid) mit finkender Mark bei uns in immer troft—

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