Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0525
DOI Heft:
Heft 11
DOI Artikel:Rohde, Alfred: Die wissenschaftlichen Instrumente des Hamburgischen Museums für Kunst und Gewerbe
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Scheffelt in Ulm (Abb. 11) fc±)ließt Jicß diefer Ornamentik an. Äber der Reiz der Re-
naiffanceinftrumente ift in einem wefentlid)en 3uge auch hier noch verloren gegangen:
die Feuervergoldung wird kaum nod) geübt, das Material ßat einen meift [tumpfen,
leblofen Charakter.
Erft die Folgezeit brachte es wieder zu einer, wenn aud) kurzen Nad)blüte der In-
ftrumentenfabrikation, fie traf fiel) mit einer befonders reizvollen Ornamentik. Das
„romanifdje und italienifdje Lauberwerk“, wie es ein Berain und ein Marot befonders
ausgebildet Ratten, war in Deutfd)land zum Laub- und Bandelwerk umgebildet worden.
Abraham Drentwett trägt in feinen frühen Arbeiten nod) den Charakter Berainfößer
Kurven, während er in fpäteren Beifpielen diefe Kurven zum deutfchen Bandelwerk
ausgebildet hat. Unter feinen 3eitgenoffen und Mitftrebenden war Paul Decker der
rüßrigfte, während es feinem 3eitgenoffen Johann Jakob Schübler trotj feiner Produk-
tivität und Vielfeitigkeit an künftlerifdjem Können gebrach. Die erftarrende Tradition
der Martin-Voglerfchen Ulerkftätten hat Johann Ulillebrand (Abb. 12) in diefen Stil
hinübergeleitet und fo auf dem alten Boden eine neue kurze Blüte emporfprießen
laffen. Die reizvollften Inftrumente diefes Stiles aber find in Düffeldorf durch Claude
Dunod h^rgeftellt (Abb. 13). Schübler fcheint fid) felbft als Inftrumentenmacher ver-
fud)t zu haben. Vorlagen für Sonnenuhren hat er in ebenfo zahllofer wie langweiliger
Menge herausgegeben.
Deutfchland hat das Rokoko als einen fertig ausgebildeten Stil von Frankreich über-
nommen. Auf die inftrumentenfabrikation hat es keinen großen Einfluß ausgeübt, wenn
man von der Salzburger Gruppe abfießt, die im Fjamburgifdßen Mufeum nicht vertreten
und auch von meßr lokaler Bedeutung ift. Das Rokoko findet fid) daher bei unferen
Beifpielen meift nur in einer ziemlich provinziellen Form.
Die überragende Bedeutung der englifcßen Inftrumente, die mit der Seit um 1700
beginnt, gründet fid) auf der Präzisionsarbeit, ein ornamentales Intereffe für die ge-
fchmacklicße Ausftattung feßlt faft ganz. Der Nut^zwedc ift es aud) in erfter Linie, der
die Inftrumente des 19. Jahrhunderts in ißrer nüchternen Form beftimmt: fie find hervor-
ragende Beifpiele vollendeter Cecßnik.
Diefe in großen 3ügen umriffene Stellung einer ftiliftifd)en Einreihung gewinnen die
wiffenfcßaftlicßen Inftrumente im Rahmen eines Kunftgewerbemufeums. Sie feßeinen,
von ßier aus gefeßen, tote Objekte, in dem Augenblick, wo fie lediglich für den Facß-
wiffenfcßaftler, alfo in erfter Linie für den Mathematiker und Pßyfiker, ein Intereffe
ßaben, und gewinnen erft, wenn pe durd) eine reiche künftlerifcße Ausführung in einen
ßiftorifeßen Stilzufammenßang hineingeraten und dadurch in den Inter eff en bereich des
Kunftgewerblers treten, oder wenn fie durch die Verbindung mit einer greifbaren Per-
fönlid)keit oder einer greifbaren Idee ein Stück Kulturgefd)id)te bedeuten und dadurch
den Kulturßiftoriker feffeln. So wurden die matßematifchen Inftrumente zum Gegen-
ftande der Sammeltätigkeit einmal durcß den Reiz des Ornaments, das über jeden
Gegenftand gleitet und das trockenfte Inftrument mit dem pulfierenden Lebenshauch
feiner 3eit dureßdringt, und dann durch den Gedanken, wie fehr die unfeßeinbarften
Inftrumente oft primitivfter Art oßne jeden künftlerifcßen Reiz, lediglich zweckent-
fpredßend konftruiert, wahre 3auberftäbe in den fänden forfeßender Denker wie Galilei,
Cycßo de Braße und anderer wurden.
Von diefen Geficßtspunkten formaler Geftaltung ift Juftus Brinckmann bei feinen An-
käufen auf diefem Gebiete allein ausgegangen. Die Sammlungen Spider und Rouffel,
die Verfteigerung bei Frederik Müller in Amfterdam 1911 find Etappen diefes Sammel-
eifers. Aus ißnen find im wefentlicßen die Beftände, die das Fjamburgifcße Mufeum
für Kunft und Gewerbe befi^t durch die glücklichen Erwerbungen feines Gründers und
langjährigen Leiters ßerausgewaeßfen. Die 3aßl der Inftrumente ift nicht groß gegen-
über dem Beßb anderer Sammlungen, aber die bedeutendften Namen von Inftrumenten-
künftlern find mit guten Beifpielen vertreten, fo daß der kleine Beftand eine recht
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naiffanceinftrumente ift in einem wefentlid)en 3uge auch hier noch verloren gegangen:
die Feuervergoldung wird kaum nod) geübt, das Material ßat einen meift [tumpfen,
leblofen Charakter.
Erft die Folgezeit brachte es wieder zu einer, wenn aud) kurzen Nad)blüte der In-
ftrumentenfabrikation, fie traf fiel) mit einer befonders reizvollen Ornamentik. Das
„romanifdje und italienifdje Lauberwerk“, wie es ein Berain und ein Marot befonders
ausgebildet Ratten, war in Deutfd)land zum Laub- und Bandelwerk umgebildet worden.
Abraham Drentwett trägt in feinen frühen Arbeiten nod) den Charakter Berainfößer
Kurven, während er in fpäteren Beifpielen diefe Kurven zum deutfchen Bandelwerk
ausgebildet hat. Unter feinen 3eitgenoffen und Mitftrebenden war Paul Decker der
rüßrigfte, während es feinem 3eitgenoffen Johann Jakob Schübler trotj feiner Produk-
tivität und Vielfeitigkeit an künftlerifdjem Können gebrach. Die erftarrende Tradition
der Martin-Voglerfchen Ulerkftätten hat Johann Ulillebrand (Abb. 12) in diefen Stil
hinübergeleitet und fo auf dem alten Boden eine neue kurze Blüte emporfprießen
laffen. Die reizvollften Inftrumente diefes Stiles aber find in Düffeldorf durch Claude
Dunod h^rgeftellt (Abb. 13). Schübler fcheint fid) felbft als Inftrumentenmacher ver-
fud)t zu haben. Vorlagen für Sonnenuhren hat er in ebenfo zahllofer wie langweiliger
Menge herausgegeben.
Deutfchland hat das Rokoko als einen fertig ausgebildeten Stil von Frankreich über-
nommen. Auf die inftrumentenfabrikation hat es keinen großen Einfluß ausgeübt, wenn
man von der Salzburger Gruppe abfießt, die im Fjamburgifdßen Mufeum nicht vertreten
und auch von meßr lokaler Bedeutung ift. Das Rokoko findet fid) daher bei unferen
Beifpielen meift nur in einer ziemlich provinziellen Form.
Die überragende Bedeutung der englifcßen Inftrumente, die mit der Seit um 1700
beginnt, gründet fid) auf der Präzisionsarbeit, ein ornamentales Intereffe für die ge-
fchmacklicße Ausftattung feßlt faft ganz. Der Nut^zwedc ift es aud) in erfter Linie, der
die Inftrumente des 19. Jahrhunderts in ißrer nüchternen Form beftimmt: fie find hervor-
ragende Beifpiele vollendeter Cecßnik.
Diefe in großen 3ügen umriffene Stellung einer ftiliftifd)en Einreihung gewinnen die
wiffenfcßaftlicßen Inftrumente im Rahmen eines Kunftgewerbemufeums. Sie feßeinen,
von ßier aus gefeßen, tote Objekte, in dem Augenblick, wo fie lediglich für den Facß-
wiffenfcßaftler, alfo in erfter Linie für den Mathematiker und Pßyfiker, ein Intereffe
ßaben, und gewinnen erft, wenn pe durd) eine reiche künftlerifcße Ausführung in einen
ßiftorifeßen Stilzufammenßang hineingeraten und dadurch in den Inter eff en bereich des
Kunftgewerblers treten, oder wenn fie durch die Verbindung mit einer greifbaren Per-
fönlid)keit oder einer greifbaren Idee ein Stück Kulturgefd)id)te bedeuten und dadurch
den Kulturßiftoriker feffeln. So wurden die matßematifchen Inftrumente zum Gegen-
ftande der Sammeltätigkeit einmal durcß den Reiz des Ornaments, das über jeden
Gegenftand gleitet und das trockenfte Inftrument mit dem pulfierenden Lebenshauch
feiner 3eit dureßdringt, und dann durch den Gedanken, wie fehr die unfeßeinbarften
Inftrumente oft primitivfter Art oßne jeden künftlerifcßen Reiz, lediglich zweckent-
fpredßend konftruiert, wahre 3auberftäbe in den fänden forfeßender Denker wie Galilei,
Cycßo de Braße und anderer wurden.
Von diefen Geficßtspunkten formaler Geftaltung ift Juftus Brinckmann bei feinen An-
käufen auf diefem Gebiete allein ausgegangen. Die Sammlungen Spider und Rouffel,
die Verfteigerung bei Frederik Müller in Amfterdam 1911 find Etappen diefes Sammel-
eifers. Aus ißnen find im wefentlicßen die Beftände, die das Fjamburgifcße Mufeum
für Kunft und Gewerbe befi^t durch die glücklichen Erwerbungen feines Gründers und
langjährigen Leiters ßerausgewaeßfen. Die 3aßl der Inftrumente ift nicht groß gegen-
über dem Beßb anderer Sammlungen, aber die bedeutendften Namen von Inftrumenten-
künftlern find mit guten Beifpielen vertreten, fo daß der kleine Beftand eine recht
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