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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 11
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Bauer, Curt: Wilhelm Schmid
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0543

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darzuftellen. Sonft kommt er über die pßotograpßifcße Richtigkeit nid)t hinaus und läßt
im letjten Sinne kalt. Das Naturftudium des geborenen Künftlers befteßt daßer nicßt in
der Nacßaßmung, [ondern in der Einprägung der Formen und Farben. So ficßer muß
er fie im Gedäcßtnisbilde ßaben, daß er [ie jederzeit daraus ßervorzußolen vermag,
aucß wenn ißr äußerer Eindruck längft vorüber ift. Dann erft vermögen [ie ßcß im
Laufe der 3eit mit anderen feelifcßon Vorgängen im Innern des Künftlers, oßne die
ißre Darftellung tot bleibt, zu vermifcßen. Äls etwas Eigenes, nie zuvor Empfundenes
taucßen dann ißre äußeren Linien und Farben wieder aus diefem feelifcßen Spiegel
auf. Die Intenfität des Erlebens und die Liefe des Lüeltgefüßls ermöglichen es lüilßelm
Scßmid, feine (üerke ftets nacß dem Gedäcßtnisbilde zu geftalten. Diefem innern Sinne
vor allem verdankt er jene ßarmonifcße Bildrßytßmik, bei der ißm das Studium der Natur
lediglicß als äußeres Korrektiv dient. So entftanden eine Reiße ausgeglichener Arbeiten,
wie wir ße z- B- im „Loskanifcßen Bauernmädchen“ u. a. bewundern, wo trots dem in
ßcß rußenden Ebenmaß des Ganzen docß der Richtigkeit aller dargeftellten Einzelßeiten
der Naturform Rechnung getragen ift. Gerade die neueften Arbeiten zeigen den Künftler
auf einem (Liege, der eine weite und frucßtbare Entwicklung für ißn vorausfeßen läßt
Neben dem ftrengen Formenrßytßmus beginnt [ich ein immer meßr individuelles Ein-
geßen auf die Einzelßeiten innerßalb des Ganzen geltend zu macßen. Diefe Individua-
lifierung geßt vor allem vom Porträt und vom Akt aus, um ficß dann auf das kom-
poßtionelle Gemälde zu übertragen. Einige neue Frauenakte geßören fowoßl im Einblick
auf den mufikalifcßen Linienßuß wie auf die Verfenkung ins Minutiöfe zum Vortreff-
licßften, was der Künftler ßgurell gefcßaffen ßat.
Am meiften indeffen dürften den Beobachter der Kunft (Llilßelm Scßmids die zaßl-
reicßen landfcßaftlicßen Aquarelle und handzeicßnungen aus Italien feffeln. „hier war
es, wo icß mich felbft wiederfand“, könnte der Künftler wie Goetße fagen. Mit einer
zarten Anmut, die an die beften Maler der deutfcß-italienifcßen Romantik erinnert, ver-
bindet ßcß ßier eine ganz eigene Formen- und Linienfpracße. Viele diefer 3eicßnungen
fcßeinen mit der Seele auf das Papier geßaucßt zu fein, oßne daß die hand wußte,
wie ße es vollbrachte. Die breit konturierten Licßtßäcßen ßaben ficß zu äußerfter Ein-
facßßeit konzentriert. Der hauch einer feinen Stimmung befeelt die Blätter, deren Be-
ßandlung in jedem Stricß den Ausdruck eines ßocßkultivierten Gefcßmackes darftellt.
Der Künftler ift in ißnen feinem innerften Selbft in einer RJeife naße gekommen, die
in ißrer befonderen Eigenart kaum nocß von ißm oder anderen zu überßolen fein dürfte.
Diefe Blätter bilden voll und ganz den Ausweis einer ßoßen künftlerifcßen Reife.
(Llilßelm Scßmid geßört feiner Entwicklung nacß zu denjenigen Künftlern, die mit
öngeftüm beginnen, um dann, geläutert durcß die Erfaßrung, ißre Kunft meßr und
meßr abzuklären. Es bedurße für ißn eines langen Ringens, nacß mancßen Irrungen
das ftarre Formalprinzip durcß die individuelle Beobachtung auszugleicßen. Die Viel-
feitigkeit feiner Beftrebungen bringt es mit ßcß, daß ficß bei ißm die Fortfcßritte von
einem Schaffensgebiet auf das andere übertragen und feinem Entwicklungsfeld 3u-
kunft und ffleite verleißen.

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