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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 13
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Basler, Adolphe: Pariser Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0630

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kümmere und daß er die rein optifche Cecßnik durch) eine mehr fubjektive Konzeption
des Bildes erfefet: denn Juan Gris ift ein Künftler, der fein Calent ganz in den Dienft der
Kleinkunft [teilt. Die Grundlinien feiner Kunft find die gleichen wie die eines Kunftge-
werblers, eines Ornamentikers: das organifche Leben diefer neuen Schmie müßte durd)
keine geringere Kunft als die Architektur geregelt werden. Der Rhythmus, den Gris in
der Anordnung und in den Maßverßältniffen der Formen betont, die Vereinfachung, die
Parallelität der Linienführung, ja auch Farbe und Licht — all das ift nicht aus der Er-
fchütterung durch den unmittelbaren Kontakt mit der Natur erfühlt (wie das das Klefens-
eigentümliche des Staffeleimalers ift); vielmehr ift Juan Gris’ fch)öpferifche Arbeit rein
fubjektiver Natur. Ich könnte mir denken, daß die Entwürfe von Juan Gris [ich eben-
fogut für Keramik eignen wie etwa die Sachen von Braque prächtig als Vorlagen für
die Capifferien von Beauvais dienen könnten.
Das ift gewiß ein fch)öner Erfolg des Kubismus! Übrigens find auch andere Maler-
fchmlen nicht ohne Rückwirkung auf das Kunftgewerbe geblieben; fo haben auch die
Maler der vorigen Generation, die Fauriften, die die verfctpedenften Kunftformeri, befonders
das volkstümliche Bild neu aufblühen ließen, alles der arabeskenßaften Kompofition und
einem fummarifchen Kolorit geopfert, einem Kolorit, das von einer feßr vereinfachten
Palette ausging und nur auf die eklatanteften (Hirkungen hinfteuerte; diefe Malerfchule
hat einer dekorativen Malerei Antrieb gegeben, deren glänzendfte Vertreter — Dufy,
Dufresne und Bracque als die bedeutendften dekorativen Schöpfer unferer Cage gelten.
Auf der anderen Seite bewähren fiel) Künftler wie Derain, wie ütrillo, wie Segonzac,
wie Gromaire (der Benjamin unter ihnen) mehr und mehr als Staffeleimaler, fie opfern
äußere Schönheit, wohlgefällige Anordnung, Leuchtkraft der Palette wie auch die elegante
Arabeske; im Grunde zielen ße vorzugsweife auf engen Kontakt mit der Natur, wie
ihn übrigens auch Picaffo als Bildnismaler anftrebt. Klenn legerer fich erft wieder dazu
bequemen wird, als „guter Maler“ zu rangieren, dann wird er auch fühlen, wie ver-
fchiedenartig der Reiz einer dekorativ rhythmifierten Kompofition und die Intenfität
einer vor der Natur erlebten Malerei ift!
Das Calent guter dekorativer Maler foll dadurch keineswegs gering geachtet werden;
aber wir müffen fie doch fcharf von den Staffeleimalern unterfcheiden, deren Calent für die
dekorative Malerei großen Stiles nicht herabgefet^t [ei; erinnern wir uns hier nur an Meifter
wie Veronefe oder Delacroix. * *
*
Ein anderer Spanier, der in der Galerie Simon einen bemerkenswerten Erfolg hatte,
ift der Bildhauer Manolo, einer der geiftvollften Freunde des Dichters Moreas; diefer
Stanzendichter fchätjte Manolo als einen echten Cyp des Salamanca-Studenten fehr
hoch; Manolo, der heute fern von Paris lebt, pflegt in feiner Einfiedelei in Ceret die
Verfe Moreas zu rezitieren, und er erinnert fich dabei gern feiner Befuche in der fran-
zöfijchen Fjauptftadt. Seine Porträtbüften, feine Akte, feine kleinen Kompofitionen zeigen
deutliche Spuren feiner Bewunderung für Maillol und Defpiau; überall dokumentiert
er pich als ein höchft geiftvoller Künftler, der zwar kein großes bildhauerifches Genie
ift, der fich aber ftets mit ficherem Caktgefühl und mit beftem Gefchmack zu offenbaren
weiß. Seine Skulpturen find klar und hübfd) gegliedert.
Sehr große Meinungsverfcßiedenheit hat eine bei Bernheim jeune unter dem Eitel
„Vorfchläge“ veranftaltete Aufteilung hervorgerufen, tlnd zwar waren es weniger die
Maler, die folches Auffehen erregten, als das Vorwort des Kataloges aus der Feder
von Felix Feneon. Diefer Schriftfteller läßt, um die heutige Moral im Kunfthandel zu
fchildern, die Sammlerwelt einen Einblick in die Riefen-Gewinnausfid)ten tun, die fiel)
aus der Erwerbung einer Sammlung im Klerte von heute nur 100000 Franken ergeben.
Am fchlechteften feimeidet dabei der Maler felbft ab, der fich heute ftets bewußt bleiben
muß, nur Börfenwerte zu fchaffen, nicht etwa für feine kunftfinnigen 3eitgenoffen zu
malen. Defto glücklicher find jene naiven Gemüter, die ohne Rückfid)t auf den Auktions-

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