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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 14
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Roh, Franz: Münchner Neue Sezession: Ein Bericht
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0668

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Campendonk aber bekam vonfeiten eines Mäzens einen Klohnptj bei Crefeld, Die
Münchner Plaftik erhielt eine Schwächung durd) Klegberufung Edwin Scßarffs nad) Berlin.
Nun hat pd) in den beiden lebten Jahren ein neuer Stil der Malerei entwickelt, [tark
unterfcßieden von dem des „Blauen Reiters“, indem man dem Expreffionismus neue
Sd)ärfung des Gegenftandsbewußtfeins zufül)rte. Diefe Klelle, allmäh)lic±) in ganz Europa
[pürbar werdend, ift in München heraufgeführt worden durch drei Maler, welche, [o
vermieden fie unter fid), in 3ukunft zweifellos ein und derfelben eröffnenden Stufe
zuzurecßnen find. Es handelt fid) um die neueren Arbeiten von Scßrimpf, Davring-
ßaufen und Menfe. Sd)rimpf, in den modernen Lebenskreifen Italiens gefcßäßt (es er-
fd)eint neben einem deutfd)en demnäd)ft ein italienifd)es Bucß über ißn), l)at einen Ruf
nad) Amerika, ünd Davringl)aufen ift nad) Berlin übergcfiedelt. Es ift zu !)offen,
daß nicht aud) die zweite originelle Klelle, deren 3U9 ßd) noch Mancher anfcßließen
dürfte, ißrer Stoßkraft für München beraubt werde.
Denn es ift entfcßeidend, wie nun eigentlich die viel genannte Mäßigung ausßeßt, die
aud) die Münchner Sezefßon durchzieht. Man muß von vornherein diejenigen Mäßigungs-
bezirke abtrennen, die nach Ermüdung oder Langerweile fchmecken. Denn geiftiges Leben
fcßeint nun mal derart gebaut, daß es zur Ruße nicht kommen kann und, ftändig weiter
taftend, den Pol des Guten umkreifen muß. AVancße Betrad)ter meinen, daß heute die
Spannung zwifcßen Publikum und Künftlern (aud) das Gefunde an ißr) verfcßwinde, daß
fid) alles gerührt in die Arme zu ßnken drohe und nichts als fcßlaffer Kompromiß bevorßeße.
Die Geleife der Alten und der Neuen Sezeffion laufen tatfäd)lid) aufeinander zu.
Aber bald entdeckt man: Klo die Mäßigung einen originellen 3ug hat, ift man
wieder auf die Klariezeit wirklichen Verftändniffes angewiefen. Dabei wird dod) der
Sacßhunger des Publikums nun reichlich befriedigt, indem das Originelle der Neuerer
diesmal ja gerade darin liegt, die machtvollen Formenzüge ihrer Bilder mit beinah
mikrofkopifcßer Genauigkeit zu erfüllen, die weithin wirkende Großform mit naßefter Einzel-
anßcßt zu verfcßränken. Es ift nicßt wahr, daß man „nach hochgemuter 3eit“ heute wieder
ins bloß e Fertigmacßen und Kläubeln abfinken wolle. 3 war wird das Fertigmacßen morgen
allgemeine Forderung fein (und es bleibt das ßößere), aber auch diefer neuenKunft wird
von Grund aus eine neue Klcltanficßt eignen. Die Betrachter lieben vorläußg meßr den-
jenigen 3weig, der ins woßlig Malerifcße und ins mild Ausgeglichene zurückfcßwingt. Der
3ukunft aber dürfte diejenige Linie gehören, die pcß mit gewiffer Schärfe an die Dingwelt
faugt und eine kühlende, metallifcß gefpannte Präzifion wie mit angeßaltenem Atem erftrebt-
Indem ich den Eindruck der heutigen Ausftellung zufammenfaffe, lege ich das pmul-
tane Kunftgut ein und desfelben gefcßichtlichen Augenblickes auseinander, wie man
einen Fäcßer öffnet, um die gefd)id)tlicl) ganz verfcßiedenen Flächen, welche in ein
und derfelben 3^ aufeinander lagern, nun nebeneinander zu bekommen. Man kann
das infofern, als jede 3ßd verfcßiedenfte Schichten in fleh vereint. Id) habe den Mut
geßabt, den ganzen Glaspalaft zu durcßpilgern, diefes zarte Eifenungeßeuer, daß die
Jahresproduktion einer Riefenftadt in allen ißren Richtungen umklammert ßält. Kler nicht
durd) einen Notausgang ausbrießt und getreu den Anfangspunkt wieder erreicht, fpürt
nad) dem erften Schwindel im Gehirne das Gefeß, mit dem man fiel) abzußnden hat:
Daß zu genau der gleid)en 3^it die einen empßnden und malen wie unfre Großväter,
andre wie unfre Väter, wieder andre wie wir felbft, und wenige, wie unfre Sößnc
oder Enkel malen werden. In der Neuen Sezefßon handelt es ßcß ßöcßftens um
Väter, Sößne und Enkel, das heißt um nacßklingenden Imprefßonismus, um Expref-
fioniften und um die eben einfeßende Art.
Von ganz alter, beinah biedermeierlicßer Glätte find die Bilder Cß. Cß. Fj eines. Sie
gehörten eigentlich nicßt in den Rahmen diefer Sezefßonsfcßau. Klelcßer ünterfeßied
zwifeßen vor- und nachexpreffioniftifcßer Art des Pßegens und Durcßformens liegt, würde
draftifcß deutlich werden, wenn diefe Bilder etwa neben Scßrimpf hingen, der durch die
Dämonie und Abftraktionskraft moderner Kunft ßindurcßgegangen ift. Dem äußeren,

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